
Ökodiktatur oder Graswurzelbewegung? Natur- und Umweltschutz zwischen Autoritarismus und Liberalismus
Die dritte FARN-Fachtagung beschäftigte sich mit liberalen und autoritären Konzepten der Umweltbewegung sowie mit den durch sie hervorgerufenen regressiven Reflexen in der „bürgerlichen Mitte“ und am „rechten Rand“.
Derzeit sind zwei gesellschaftspolitische Entwicklungen zu beobachten: Da gibt es die einen, die angesichts der globalen Krisen die Augen schließen. Sie wollen nichts wissen über den menschengemachten Klimawandel, über Ressourcenverknappung und Artensterben. Sie halten fest an ihren Gewohnheiten und ihren Privilegien. Sie argumentieren mit „dem kleinen Mann“ und schreien „Ökodiktatur!“, wenn die sozial-ökologische Transformation gefordert wird. Sie sehnen sich nach Grenzen, nach Heimat, Volk und Vaterland.
Und dann gibt es da die anderen, die auf die Straße gehen, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass die Welt so sein muss, wie sie ist. Sie kämpfen für ein menschenwürdiges Leben und eine intakte Umwelt. Sie fordern ihre Regierungen auf, Verantwortung zu übernehmen für die Natur, für kommende Generationen und die Menschen im globalen Süden. Von ihren Mitbürgern*innen verlangen sie nicht weniger als den Wandel ihres individuellen Lebensstils. Wie dieser allerdings zu haben ist, da scheiden sich die Geister.
Wegen der Corona-Pandemie fand die Fachtagung in diesem Jahr online statt.
In acht Workshops und Vorträgen konnten sich die Teilnehmenden informieren und austauschen:
Rechte Landnahme. Die Vereinnahmung der Natur- und Umweltschutzszene durch rechte Akteur*innen
Der Workshop zeigte, wo und wie rechte Positionen und rechtsextreme Gruppierungen auf das lokale umwelt- beziehungsweise naturschutzbezogene Engagement einwirken. Es wurden die Ergebnisse einer Online-Umfrage bei Natur- und Umweltschutzverbänden zur Erfahrung mit rechtsextremen und rechtsideologischen Einflussnahmen vorgestellt, die diversu in Kooperation mit dem DNR e.V. Ende 2019 durchgeführt hat. Ausgehend von bisherigen Gegenstrategien wurden Erfahrungen und Vorschläge zum Umgang mit der rechten Landnahme im Natur- und Umweltschutz diskutiert.
Referent*in: Dr. Christine Katz, diversu e.V.
Netzwerkarbeit zu rechten Tendenzen in der Landwirtschaft
Nicht erst in den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass Gruppen mit rechtsradikaler Gesinnung im Ökolandbau mitmischen. Menschen, die sich rechten Gruppierungen wie zum Beispiel völkischen Siedler*innen, der AFD oder der rechtsoffenen Anastasia-Bewegung zugehörig fühlen, ziehen aufs Land und verbreiten dort unter dem Deckmantel der romantischen Idylle ländlichen Lebens ihre menschenverachtende Ideologie. Auch die Idee der solidarischen Landwirtschaft ist für diese Menschen anschlussfähig. 2016 gründete sich daher im Netzwerk Solidarische Landwirtschaft die Arbeitsgruppe Rechte Tendenzen. In diesem Workshop wurde die bisherige Arbeit der AG und deren Handlungsstrategien beschrieben, es gab einen Input zu rechten Einflüssen auf (Öko)-Landwirtschaft und ausreichend Zeit zum Austausch.
Referent*innen: Barbara, AG „Rechte Tendenzen“ des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft
Ökologie in der „Neuen Rechten“
Naturschutz wird in der extremen Rechten seit jeher als ihr ureigenes Thema verstanden und als „Heimatschutz“ propagiert. So beschäftigt sich auch die sogenannte „Neue Rechte“ mit ökologischen Fragen und versucht damit den Diskurs zu beeinflussen. Ob es nun um Wachstumskritik, Artenvielfalt oder die Energiewende geht: Die Argumente sind antidemokratisch und biologistisch. Progressive Ideen werden in rückwärtsgewandte Konzepte eingebunden und als Gegenpol zu emanzipatorischen ökologischen Ansätzen in Stellung gebracht. Der Workshop beleuchtete die Argumentationsweisen neu-rechter Akteur*innen und Gruppierungen und warf einen Blick auf deren mediales Erscheinungsbild. Dabei wurden Konzepte neu-rechter Ökologie analysiert und es wurde über Schnittmengen und Abgrenzungen diskutiert.
Referent*innen: Klara Kauhausen & Yannick Passeick, Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)
Neuheidentum und Neonazismus
In der Neonaziszene finden sich immer wieder Symbole aus der nordischen Mythologie. Ob es nun der Thorshammer oder der „Odin statt Jesus“-Spruch ist – Bezüge auf heidnische Gottheiten sind beliebt. Damit einher geht eine vermeintliche Naturverbundenheit und „artgemäße Lebensweise“, die in der Moderne durch den Einfluss als fremd markierter Religionen und Gesellschaftsentwürfen verloren gegangen sei. Woher kommt diese Begeisterung und welche Funktionen haben mythologische Bezüge inner- und außerhalb der Szene? Im Workshop wurden praktische Beispiele neuheidnischer Symbolik gemeinsam analysiert und über Funktion und Ideologie diskutiert.
Referent*in: Henning Flad, Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
Klimagerechtigkeit
Referent*in: Tadzio Müller, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Rassismuskritische Perspektiven auf die Klimakrise
Wir, „BLACK EARTH – BIPoC Environmental & Climate Justice Kollektiv Berlin“, möchten eine partizipatorische Klimapolitik sehen, die aus dekolonialen, queer-feminsitischen und ökologischen Perspektiven besteht. Wir wollen weg von ausbeuterischen Produktions-, Wirtschafts- und Lebensweisen, die vielen Menschen des Globalen Nordens ein komfortables Leben im Überfluss ermöglichen. Die negativen Auswirkungen dieser Ausbeutung waren, sind und werden vor allem für Menschen und für die Ökosysteme des Globalen Südens spürbar. Wir wollen bestehende Machtverhältnisse und jegliche Diskriminierungen sichtbar machen, die zu Leid, Entmenschlichung und Zerstörung führen.
Wir fordern zur Erreichung einer klimagerechten Zukunft unter anderem die Solidarität mit Umweltaktivist*innen im Globalen Süden, Anerkennung der historischen Verantwortung des globalen Nordens für emittierte Treibhausgase und die gerechte Partizipation von marginalisierten Menschen an der globalen Politik.
Referent*innen: BLACK EARTH – BIPoC Environmental & Climate Justice Kollektiv Berlin
Warum raumorientierte Volkswirtschaften rechts sind, Commons links und Degrowth das, was wir draus machen
Das heutige Menschenbild ist mit dem Homo Oeconomicus aufs Engste verwoben; daraus entstehen widersprüchliche Anrufungen: einerseits historisch das biologistische Versprechen von Weißsein und Männlichkeit als Zeichen natürlicher Überlegenheit – andererseits ist diese Überlegenheit zutiefst an Leistungsfähigkeit gekoppelt und ging und geht mit dem biologisierten Ausschluss einer ‚Unterklasse‘ einher. Während aufgrund von Emanzipationsbewegungen die Teilhabe im System für Frauen* und People of Colour erleichtert wurde, drückt sich im Erstarken rechter Strömungen das Klammern an die Vorstellung einer natürlichen weißen und männlichen Überlegenheit aus. Wachstumskritik von rechts kann in diesem Sinne als Befreiung vom Leistungsdruck und als scheinbare Rückkehr zu einer Ordnung verstanden werden, in der sich alles wieder am rechten Platz befinden möge, einschließlich der Natur. Commons verbinden die Abkehr von Leistungs- und Wachstumszwang mit einer anti-identitären Zugangsweise und können so eine attraktive gesellschaftliche Alternative darstellen.
Referent*in: Friederike Habermann, Wissenschaftlerin
Anastasia-Bewegung: Rechts-esoterische Siedler*innen im ländlichen Raum
Ein Leben auf dem Land und eigenes Gemüse aus dem Garten: Die Siedler*innen der Anastasia-Bewegung wirken auf den ersten Blick wie harmlose Öko-Aussteiger*innen. Sie selbst stellen sich als eine Bewegung dar, die im Einklang mit der Natur möglichst ökologisch und nachhaltig leben will und dabei unpolitisch ist. Ihre Ideologie beruht jedoch auf Antisemitismus, Verschwörungsdenken und einem reaktionären, rassistisch-völkischen Weltbild.Im Rahmen des Vortrags setzen wir uns kritisch mit der Bewegung auseinander und beleuchten dabei Ideologie und Weltbild, Akteur*innen der Szene sowie Strukturen und Verknüpfungen.
Referent*in: Anna Rosga, Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)