18.03.2021 | Wolf Dieter Storl wurde 1942 geboren, wuchs in den USA auf, promovierte als Ethnologe in Bern und lebt seit 1988 auf einem Hof im Allgäu. Der umtriebige Autor investiert in professionelle Werbung, einige seiner Videobeiträge erreichen 1,6 Millionen Aufrufe. Mit 131.000 Followern auf Facebook ist er neben Christian Rätsch sicherlich der einflussreichste deutschsprachige Ethnobotaniker und Ethnologe. Seine „Storl-Akademie“ bietet Vorträge von sieben weiteren, mehrheitlich promovierten Referent*innen aus Kulturforschung, Medizin und Heilpraxis an. Selbstvermarktung betreibt er dazu mit eigenen Tonträgern, Videos, Kräutern und Stoffbeuteln. Storl produziert dabei primär für den Esoterik-Markt mit Titeln wie „Germanische Medizin“, „Urmedizin“, „Hexenmedizin“, „Wolfsmedizin“, „Bachblüten“. Der GU-Verlag führt ihn auch als „Kultautor“ für Selbstversorgung.
Storl ist weit gereister Kosmopolit, der prinzipiell in allen Gesellschaften gleichwertige Anlagen sieht. Dennoch tritt er seit einigen Jahren auch auf dezidiert rechten Veranstaltungen auf. Am 13. November 2017 wurde er von Eva Herman für die verschwörungstheoretische „Wissensmanufaktur“ im „Indianerzentrum“ Rolf Boumanns interviewt. [1] Dort, im kanadischen Cape Breton, finden sich rechtsradikale Aussteiger*innen auf der Flucht vor einer großen Krise zusammen zu einer regelrechten Kolonie. Vor diesem Publikum erklärt Storl sein Interesse an Pflanzen damit, dass er ein Kriegskind gewesen sei und botanisches Wissen seinen Hunger gelindert hätte. Survival-Wissen um essbare Pflanzen und Selbstversorgung erschließt Storl ein neues Publikum von krisenbesorgten Prepper*innen [2] aus der rechten Szene. Ihnen liefert er die emotionale Bindung an „[…] unsere Vorfahren, die Waldvölker, die Kelten, Germanen, Slawen, Balten.“ Die völkische Note ist offensichtlich: „Jeder Stamm, jedes Volk, jede Ethnie hat ihre eigene Heilkunde.“ Diese Ethnisierung von Heilkunde tritt zwangsläufig in Widerspruch zum universalistischen Anspruch der Biomedizin. Ebenso konform mit dem Weltbild von rechten Aussteiger*innen und der „Wissensmanufaktur“ ist seine Naherwartung einer Krise, die in archaische Verhältnisse zurückführe: Man befinde sich im „merkuriellen Zeitalter“. Das aber sei am Rande einer Zeitenwende dem Untergang geweiht. „Die Natur ist immer stärker, als wie das Blendwerk und die Machenschaften.“ Eva Herman hakt hier dankbar ein: die „wirtschaftlichen, politischen Ziele, finanzpolitischen Ziele“ seien „nur noch auf Materialismus ausgerichtet“, „der Mensch gerät zunehmend in den Hintergrund“ und trenne sich „von den Wurzeln der Natur“.
Der Verweis auf Wurzeln, mit denen Storl sich immer wieder ostentativ identifiziert, spricht die rechte Mythologie der „Verwurzelung“ an. Als Ideal dient ihm ein idealisiertes Bild von „den Indianern“: Sie hätten „keine Krankenhäuser, keine Polizei, keine Institutionen“ gehabt und hätten trotzdem überlebt. Ihr Leben sei „unmittelbarer“ gewesen. Man sei so verschult, wo man doch mit dem ganzen Körper in der Natur sein könne. Wir müssten etwas wiederfinden und uns dafür verlangsamen. „Geht zurück in die alte Steinzeit!“, so der Rat des weißbärtigen Ethnologen. Diese Zivilisationsmüdigkeit findet sich zwar auch unter den Aussteiger*innen der Linken, sie war aber gerade im okkultistischen nationalsozialistischen Spektrum attraktiv und hat unter neuheidnischen Rechten an Popularität gewonnen. [3] Auf eine Vorlage Hermans reagiert Storl mit einer schroffen Abwertung: „Krank“ nennt Storl den israelischen Historiker Yuval Noah Hararis, der technische Erweiterungen von Körpern zur Überwindung von Tod und Krankheit andenkt. Die Fokussierung Hermans auf einen jüdischen Vertreter eines technizistischen Weltbildes ist vor diesem Publikum sicher nicht zufällig.
Im „PrivatinvestorTV“ von Max Otte wiederum lässt Storl sich im Interview verkaufen als einer, der „den American Way-of-Life in Frage stellt“. [4] Otte war 2018 bis 2021 Vorsitzender der AFD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Zu seiner Eigenpropaganda gehört die Klage über „Masseneinwanderung“ und die Verbindung von Krisenängsten mit Anlagetipps im Eigeninteresse: „Wie Finanzlobby und Regierung Ihnen das Gold vermiesen wollen.“ [5] Otte stand besonders wegen seiner Reaktion auf die Ermordung Lübckes durch einen Rechtsextremen in der Kritik: „#Lübcke – endlich hat der #Mainstrem eine neue #NSU-Affäre und kann hetzen. Es sieht alles so aus, dass der #Mörder ein minderbemittelter #Einzeltäter war, aber die #Medien hetzen schon jetzt gegen die ‚rechte Szene‘, was immer das ist. #Rechtsextremismus." [6] Wegen dieser Äußerung wurde von der „Werteunion“ ein Ausschlussverfahren angestrebt.
Fällt Storl mit „schwer vorstellbarer Naivität“ auf diese Rechten herein, wie das anthroposophische Magazin info3 erwägt? Storl lieferte die Antwort auf diese Frage selbst: „Die alten überholten Dichotomien – Rechts-Links, Sünder-Gerettete, Sozialisten-Klassenfeinde – und ähnliche kulturelle Konstruktionen, die die Menschen spalten und gegeneinander ausspielen, interessieren mich nicht. Wir sind alle Kinder der Mutter Erde, Kinder Gottes, Gedanken Shivas (oder wie immer man es ausdrücken will).“ [7] Er spreche mit jedem über Pflanzen: „Was die «Wissensmanufaktur» betrifft, auch das sind suchende Menschen. Einige behaupten, sie seien «Verschwörungstheoretiker», da sie glauben, dass internationale Großkonzerne, die Politik und die Medien beherrschen, die Menschen ausbeuten und die Natur zerstören. Sie glauben, dass Europa bald untergeht und dass es in Kanada sicherer ist. Ich finde das extrem, aber nicht unbedingt rechtsradikal. Sie haben ein Faible für die Indianer dort und helfen diesen, Teile ihres Landes zurückzukaufen.“ [8]
In dieser Passage leugnet Storl die fundamentalen Gegensätze der jeweiligen politischen Ethik, um eine mythische Einheit von im Prinzip Gleichgesinnten zu behaupten. Diese Einheit ist kein naiver Humanismus, der Feinde nicht erkennt, sondern ein beziehungsloses Bündnis mit dem Antihumanismus der Rechten, das sich in der Konsequenz gegen dessen Opfer richtet. Dass dieses Querfront-Bündnis für Storl kein Ausrutscher ist, sondern einem System folgt und aus zentralen Elementen seiner Theorie hervorgeht, lässt sich an zahlreichen Passagen seiner Werke belegen.
Vom Kritiker zum Plastikschamanen
Einen ersten Zugang zu einer Klärung liefert seine Autobiographie „Mein amerikanischer Kulturschock – Meine Jugend unter Hillbillies, Blumenkindern und Rednecks“. In diesem Band präsentiert sich Storl als Linker, der klar auf der Seite der Bürgerrechtsbewegung steht. Er schimpft auf „rechtsradikale Arschlöcher“ (MAK 253), Kommunistenjäger und „religiöse Narren“ (MAK 263). Seine eigene Emanzipation von einer streng christlichen Erziehung betont er immer wieder und gibt sich in der Folge als rationalistischer Kritiker von religiösem Fundamentalismus und esoterischen „Freaks“ und „Hippies“, die in „sinnlosem Sex“ oder „Drogen“ ihr Leben verbringen, bis sie ihre Karrieren in den technokratischen Zentren der Macht antreten. Woodstock sei „Ausdruck der immer weiter um sich greifenden Dekadenz der amerikanischen Gesellschaft.“ (MAK 439) Über ein Geistmedium, das mit einem Orgelspieler im Bunde war und das aus dessen Spielweise Kommentare über die Reaktionen der Proband*innen aus dem Publikum entnahm, urteilt er grimmig:
„Aber als Völkerkundler wusste ich, dass ein bisschen Schwindel und Taschenspielergaukelei mit zum Handwerk der Schamanen gehörten. […] Sebastian Brant, der im 15. Jahrhundert das „Narrenschiff“ schrieb, hatte wohl recht, als er sagte: Die Welt will betrogen sein, also wird sie betrogen.“ (MAK 297) An anderer Stelle urteilt er über Esoterik: Ohne Empirie würde ihre Metaphysik aus „Fantasien, Wunschdenken, Übertragungen und Projektionen“ bestehen. (EW 9)
Mit solcher Kritik an Esoterikszenen, wie auch an technokratischer Naturfeindschaft und positivistischer Wissenschaft inszeniert er sich als von Extremen kurierte Vernunft in einem falschen Ganzen. Das ließe sich als Differenziertheit deuten. Aus der Ethnologie weiß Storl jedoch genau, dass zum Qualitätsbeweis von „echten“ Schaman*innen die Abwertung anderer Schaman*innen als Scharlatane gehört. Dahingehend ist es nicht als Widerspruch zu verstehen, sondern als logische Ergänzung, wenn Storl behauptet, mit den „Antennen seines Bartes“ mit Tieren „telephatisch zu kommunizieren“ oder Fliegen mit Gedankenkraft „zur Fensteröffnung“ lotsen zu können. (EW 29) Das „Wegschmelzen kultureller Filter“ ermögliche eben „Erfahrungen anderer Art“. (EW 30) Das Bild der „dekadenten Hippies“ und der projizierenden Esoteriker*innen braucht Storl nur, um sich selbst als wahre Autorität in spirituellen Angelegenheiten einzuführen und Macht zu gewinnen. Diese Strategien hat er an anderen beobachtet und durchaus reflektiert. So schreibt er über seine Jugendliebe und spätere Ehefrau Faye: „Mühelos rauchte, trank und scherzte sie mit den Akademikern, unterhielt sie mit psychologischem Geschick und faszinierte sie mit Handlinienlesen, Grafologie oder der Deutung ihrer Horoskope. In diesen Grenzwissenschaften, die sie sich autodidaktisch angeeignet hatte, kannte sie sich bestens aus. Es war für sie Überlebenswissen, das ihr einen Hebel gab, ihre Mitmenschen zu beeindrucken und zu beeinflussen.“ (MAK 239)
Einen solchen Hebel scheint Storl für sich selbst in der Ethnobotanik und der Pflanzenmagie gefunden zu haben. Daher bleibt eine zynische, instrumentelle Anwendung von aus der Ethnologie zusammengesammelten schamanistischen Manipulationstechniken bei Storl sehr wahrscheinlich. Gemeinhin kann diese instrumentelle Haltung mit einer Selbstmanipulation einhergehen, an deren Ende ein „echter“ Glaube an die vermarkteten Ideen und Bilder steht, der umso tiefer ist, je mehr die Person von der Ideologie profitiert, die sie vermarktet. In jedem Fall müssen Storls Ideen als „sekundärer Aberglaube“ klassifiziert werden, [9] da sie sich explizit in Gegensatz zu alternativen Erklärungsweisen stellen und nicht als Ersatz von Wissenschaft, sondern als Antiwissenschaft auftreten.
Für Storl ist die vermeintlich neutrale Präsentation von Vorstellungen (MAK 343) vor allem ein strategisches Mittel, das er geschickt einsetzt, um Stellvertreter*innen und Kronzeug*innen für seine eigenen Ideologeme zu lancieren. Besonders problematische oder sogar justiziable Passagen überlässt er Informant*innen oder Expert*innen, die er als Ethnograph „zitiert“, wie im folgenden Beispiel aus Südafrika:
„Der Tee helfe gegen Krebs, AIDS, Diabetes, Viruserkrankungen und Immunschwäche. ‚Ein Mittel gegen AIDS‘, sagte ich, ‚das wäre ja wunderbar!‘ ‚Es ist wunderbar‘, sagte sie, aber die großen Pharmakonzerne fürchten es, denn sie würden ja nichts daran verdienen.‘“
Die fragliche Pflanze, Sutherlandia frutescens, habe laut Storl in „klinischen Untersuchungen“ eine „antitumorale Wirkung“ bewiesen und bewirke, dass „AIDS-Patienten sich besser erholten, wenn die anderen Umstände, etwa die Ernährung, stimmten.“ (EW 122) Tatsächlich gibt es keine Evidenz für eine Wirksamkeit der Pflanze. [10] Dass das kleine Wörtchen „antitumoral“ von seiner Käuferschicht verstanden werden wird, weiß Storl vermutlich genau. Auffällig ist auch, dass er hier explizit nicht die Antiretrovirale Therapie benennt – die einzige bekannte wirksame Therapieform, die Millionen HIV-Erkrankten ein langes Überleben ermöglicht und heute sogar Ansteckungen verhindern kann. Storl macht also genau das, was er der Pharmaindustrie vorwirft: Die Bedeutung und Wirksamkeit eines echten Medikaments verschweigen und dadurch Patient*innen von einer wirksamen Therapie weg und in eine unwirksame oder schädliche hinein zu manipulieren. In solchen Verkehrungen äußert sich eine zynische Bereitschaft, mit dem Verbreiten von Verschwörungsmythologie Menschen an Leib und Leben zu gefährden, wenn es der Story und dem Verkauf dient.
Gegen Biomedizin
Storls Geschäftsmodell bedarf einer manichäischen Welt, in der er als Advokat der „guten“ Pflanzenheilkunde auftritt und Zugang zu echtem Wissen hat, während seine Gegner*innen, die Biomediziner*innen, inkompetent seien. Ihre Medikamente würden nicht gesund, sondern krank machen. Das will Storl an der Zahl der Herz-Kreislauferkrankungen und Krebsfälle ablesen. (EW 184) Dass mit fortschreitendem Altersdurchschnitt Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs häufiger werden und andere Todesursachen wie Hunger oder Arbeitsunfälle ablösen, ignoriert er durch die Strategie der Rosinenpickerei, einem der wichtigsten Instrumente von Antiwissenschaft. Dazu gehört auch die Behauptung, das Antibiotikazeitalter neige sich seinem Ende zu. (EW 184) Zur Illustration zieht Storl mögliche Nebenwirkungen heran, die er als unvermeidliche Folge von Antibiotikaeinsatz darstellt: „Wie bei anderen Antibiotika, kommt es als Nebenwirkung der Tetracyclin-Behandlung zu Pilzbefall und Durchfall – ein Zeichen, dass die symbiotische Mikrobenflora in Mitleidenschaft gezogen wird. […] Bei Schwangeren und Stillenden kommt es zur Schädigung der Knochen und Zahnanlagen des ungeborenen Kindes.“ (BNH 86) Storl habe selbst „schlechte Erfahrungen mit den Mikrobentötern gemacht“, weil er gegen Denguefieber Chloramphenicol verschrieben bekommen habe „mit dem Resultat, dass ich mich über zwei Jahre lang mit einer Superinfektion herumschlagen musste.“ (BNH 86)
Tatsächlich ist Dengue-Fieber eine virale Erkrankung, bei der Antibiotika nicht wirken können und bei der bislang ausschließlich Symptome (Schmerzen, Fieber) behandelt werden. Storl mischt in diesem Modus anekdotischer Evidenz gezielt Platitüden, die vom Publikum wiedererkannt werden („Nebenwirkungen“, „Resistenzen“) mit grob verzerrten Übersteigerungen und unzulässigen Generalisierungen bis hin zu Fantasien und Falschbehauptungen ab: „Oft haben Pharmazeutika Nebenwirkungen, die erst später erkannt werden. Unvorhersehbare Wechselwirkungen und persistierende Metabolisten belasten nicht nur den Mikrokosmos des Körpers, sondern auch die Natur.“ (EW 184) Der Begriff „persistierende Metabolisten“ ist eine eigene Erfindung Storls und dient als Attrappe medizinischen Fachwissens. Im Zweifel wird das Nichtverstehen zum Ressentiment gegen die Wissenschaft: „Zurzeit sind in Europa rund neunzigtausend Medikamente, Produkte der Pharmaindustrie mit unaussprechlichen Fantasienamen, auf dem Markt. Welcher Mediziner hat da noch den Durchblick? Wer hat die Zeit, die vielen tausend, vor allem in englischer Sprache veröffentlichten neuesten Forschungsresultate zu lesen?“ (EW 184) Hier schlägt der zwangsläufig scheiternde Wunsch nach einer einzigen Führungsautorität durch. In der Medizin wird Fachwissen in hochspezialisierten Unterbereichen (z.B. Dermatologie, Allergologie, Pädiatrie) verdichtet und über Fachjournale gefiltert. In der Ethnobotanik hingegen beanspruchen Schaman*innen wie er die letzte Autorität über die Wechselwirkungen von 330.000 Pflanzen weltweit bei einer äußerst dürftigen Forschungslage zu Wirkungen der Millionen von Inhaltsstoffen, darunter zahllose potente Gifte.
„Neben der Gelehrtenmedizin der gebildeten Ärzte und Apotheker hat jedes Volk, jede Ethnie eine funktionierende [sic!] Heilkunde, angepasst an die vor Ort gegebenen ökologischen Bedingungen […]“ (EW 165f) Auf der einen Seite stehen bei Storl immer wieder die Schaman*innen, die die „‘gesicherten‘, wissenschaftlichen Fakten nicht leugnen“. (WM 118) Mit den Anführungszeichen um „gesichert“ macht Storl deutlich, dass er diese nicht für gesichert hält. In der Biomedizin aber walten die „titanisch gesteuerten Experten“, die die „Außenseite der Dinge“ beschränkend wahrnehmen und aufdiktieren. (WM118) „Wer allein an die analytische Wissenschaftsmethode glaubt, bleibt lediglich an der Oberfläche kleben. Er ist spirituell blind, gefangen im alltäglichen Verstandesdenken.“ (WM 118) Spirituell und geistig blinde Menschen (WM 119), „dumme Kopfmenschen“ (WM 143) hätten nicht die Erfahrungsfähigkeit von Schaman*innen, deren „Wissen“ keine willkürliche Fantasie oder Projektionen sei. (WM 120) Auch hier warnt der Schamane wieder vor Scharlatanen: „Pseudospiritualität“ und „Plastikschamanen“ seien Resultat der „Blindheit der heutigen Ideologie“. „Wir leben in einer Zeit, in der wenige noch den Unterschied zwischen Wahnsinn und Psychose einerseits und einem wahrhaft erweiterten, schamanischen Bewusstsein andererseits erkennen.“ (WM 121)
Borreliose und Impffeindschaft
Wie Storls antiwissenschaftliche Strategie konkret aussieht, lässt sich an seinem Werk „Borreliose natürlich heilen“ im Detail nachvollziehen. Mit sechs Auflagen (Stand 2020) seit 2007 ist es eines von Storls erfolgreicheren Büchern. Die Grundbehauptung lautet:
Schulmedizinisch stehen nur Antibiotika zur Verfügung. „Leider wirken diese Wundermittel bei Borreliose kaum.“ (BNH 9) Sein eigenes, von ihm entdecktes, Wundermittel hingegen wirkt: „Kardenwurzeltinktur oder -tee, über einige Wochen hinweg eingenommen, dazu jeden Tag oder alle paar Tage eine Überhitzungstherapie […] bietet eine gute Möglichkeit zur Ausheilung der Borreliose.“ (BNH 17)
Wie in seinen anderen Büchern grenzt Storl sich zunächst von „Scharlatanen“ und „Quacksalbern“ ab. Er sei kein „Antibiotika-Gegner“, er befürworte aber „eine phytotherapeutische Alternative, insofern diese vorhanden ist.“ (EW 204) Storl sieht jedoch immer eine phytotherapeutische Alternative. Pflanzen hätten in der Evolution Strategien entwickelt, sich gegen Bakterien, Viren und Pilze durchzusetzen. „Wir teilen eine Ko-Evolution mit den Pflanzen und können – wie es auch bei Primaten und anderen Tieren der Fall ist – ihre Hilfe in Anspruch nehmen.“ (EW 204) Storl übergeht hier die Unterschiede von Pflanzen und Säugetieren ebenso wie die Evolutionsgeschwindigkeit bei Bakterien und Viren. HIV, Ebola, SARS-COV-2, aber auch Cholera und Syphillis sind evolutionsgeschichtlich sehr jung und für Pflanzen allein aus diesem Grund irrelevant.
Der Wissenschaft wirft er hingegen „Ratlosigkeit, Verwirrung, aber auch Profilierungssucht“ vor. Im Vorwort zur 2. Auflage konzediert Storl immerhin, dass es „im Anfangsstadium der Krankheit“ möglich sei mit Antibiotika die Erkrankung zu stoppen. Das wird dann wieder eingeschränkt mit der „Verkapselungstheorie“ und Warnungen vor negativen Wirkungen von Antibiotika, darunter der Verweis darauf, dass Antibiotika „immunrepressiv“ seien (BNH 25). Bakterienstämme hingegen seien „hochintelligente Wesenheiten, ‚Gruppen-Ichs‘ oder Gruppenseelen.“ (BNH 35)
Gegen FSME-Impfungen zitiert Storl die Seite impfkritik.de: Auf ein Risiko von 1 zu 78000 einer schweren Schädigung durch Infektion stünde ein Risiko von Nervenschäden bei 1 zu 32000 Impfungen gegenüber. „Das Risiko der Impfungen ist also nicht zu rechtfertigen.“ (BNH 45) Fakt ist, dass jede*r Zehnte FSME-Erkrankte einen schweren Krankheitsverlauf hat und von diesen jede*r Hundertste tödlich verläuft. Außer einer Impfung gibt es kaum therapeutische Möglichkeiten bei einer Erkrankung. Biomedizin macht hier das, was die alternative Medizin behauptet, zu tun: Sie vertraut auf die Immunantwort des Körpers und behandelt lediglich Symptome. Bei der bakteriellen Borreliose ist hingegen eine rasche und konsequente Behandlung möglich und lebenswichtig. Für beide von Zecken übertragenen Krankheiten sind Storls Ratschläge bedrohlich für Gesundheit und Leben von Patient*innen. Die lange Inkubationszeit und die teils sehr unspezifischen Symptome führen nicht nur zu unerkannten Erkrankungen, sondern sie machen die Krankheit auch zu einer von der Alternativmedizin idealen falsch-positiv bewerteten Erkrankung, die dann „erfolgreich“ behandelt werden kann. Dafür liefert Storl selbst das beste Beispiel: Er habe Borreliose überlebt. Seine Diagnose: Er ließ sie von seinem Nachbarn Dr. Gerhard Orth mit dessen Biotensor (BNH 103) auspendeln: „‘Ja‘, sagte er, nachdem er mich befragt und mit dem Biotensor untersucht hatte, ‚eindeutig Borreliose. Da helfen auch keine Antibiotika. Ich habe schon eine ganze Reihe Patienten gehabt, die sich, trotz hochdosierter Behandlung mit Tetracyclin, Amoxicillin, Eythromycin, Cephalosporin und was sonst nicht alles im Rollstuhl in meine Praxis schleppten. Einige hatten es sogar schon intravenös bekommen!‘ Als er sah, wie erschrocken ich war, fügte er schnell hinzu: ‚Keine Sorge, so weit braucht es nicht zu kommen! Wir werden die Biester schon erledigen.‘“ (BNH 103f) Dr. Gerhard Orth hätte auch eine Hirnhautentzündung mit Apfelessig auskuriert, nachdem ihn die Ärzte aufgegeben hätten. Die Therapievorschläge Storls sind analog dazu ein Sammelsurium aus so gut wie allen auf dem Markt verfügbaren Therapieformen. Von basenreicher Ernährung bis Bachblüten wird ausschließlich positiv berichtet. Nur für diese Behandlungsformen existiert bei Storl die Krankheit. In weiten Teilen des Buches suggeriert er aber, dass Borreliose eigentlich gar nicht so schlimm und, vielmehr noch, eine Verschwörung sei.
Geschickt arbeitet Storl rhetorische Fragen als Thesen ein, um einen Projektionsraum zu öffnen: Borrelien seien womöglich eine Biowaffe. Sicher streut Storl dazwischen ein, dass das „abstruse Informationen“ seien, die „mehr mit Hollywood zu tun [haben] als mit der Realität und […] ein gefundenes Fressen für Paranoiker jeglicher Art“ seien. Aber seine präsentierte „Information“ läuft darauf hinaus, dass es sehr wahrscheinlich doch so gewesen sei, wie die Paranoiker es sich vorstellen. Oder eine Rache von Gaia, dem „Erdorganismus, der auf diese Weise eine überbordende, aus dem Ruder gelaufene Menschheit zügeln will“, oder aber auch ein „Symbiont, der schon immer relativ friedlich in uns lebte und erst jetzt entdeckt wurde und nun für diverse Leiden verantwortlich gemacht wird? Oder ist die Borreliosepanik vielleicht gar eine Verschwörung der mächtigen Hintermänner des Medizin- und Pharma-Establishments?“ (BNH 63) „Krebs, AIDS, SARS und ähnliche Schreckensinszenierungen verlieren allmählich ihre Schockwirkung. Eine brandneue, heimtückische, kaum fassbare Spirochäten-Invasion kommt da gerade recht, um Angst zu schüren und massive finanzielle Mittel locker zu machen.“ (BNH 64)
Dann folgt Storl einer Verschwörungsfantasie, nach der Impfungen schuld seien: Polioimpfungen hätten Golfkriegssyndrom und Borreliose verursacht, die Symptome seien die Folge von „Chemikalienvergiftung, Impf- und Medikamentenschäden, insbesondere Spätschäden durch die Polioimpfung.“ Storl schließt: „Wäre das eindeutig beweisbar, könnte sich die Pharmaindustrie kaum mehr vor einer Lawine von Schadensersatzklagen retten! Also richtet die einflußreiche Pharmalobby die öffentliche Aufmerksamkeit in eine andere Richtung: […] Multisystemerkrankungen.“ (BNH 71) Ab hier zitiert Storl zustimmend Falkenrath: „CFS, MS, Fibriomyalgie oder Borreliose: Diese ekelhaften Zecken sind schuld! Die kann man gar nicht oft und widerlich genug den Leuten vorführen, so was prägt sich ein, macht Angst und eine richtig schön geschürte Zeckenhysterie hält die Leute beschäftigt, von der Natur fern und vom Nachdenken ab.“ (Falkenrath 2005 nach Storl BNH 71)
Bei einer solchen Ansammlung widersprüchlicher und wahlloser Thesen gibt es nicht die Absicht, eine bündige Theorie aufzustellen, sondern ein bösartiges Bild von Wissenschaften zu zeichnen: Polioviren seien auf „zerhackten Affennieren“ gezüchtet worden, der Erfinder der Impfung hätte „17000 Rhesusaffen verbraucht“ – dabei sei die Polio vor dem 20. Jahrhundert eine „harmlose Krankheit“ gewesen, die bereits im „Abebben war“. Und dann wieder ist Polio ein Produkt der Chlorbenzol- und DDT-Produktion und überhaupt ein künstliches Erzeugnis. (BNH 71f) Fuchsbandwurm oder „Vogelgrippe-Hysterie“ gegenüber gibt sich Storl dann wieder als Skeptiker, es gebe „keinen wirklichen Beweis für die Existenz des H5N1-Virus oder dessen krankmachende Wirkung.“ (BNH 76) Stattdessen mache Massentierhaltung Vögel krank, eine höhere Sterblichkeit von Wildvögeln gebe es schlicht nicht. Die Borreliose ist mal Hysterie, mal Folge von Verschwörungen und Polioimpfungen, mal harmlos, in jedem Fall aber kein Problem für eine spirituell geleitete Alternativmedizin:
„So kann die Borreliose als eine Aufforderung an unsere Seele verstanden werden, wesentlich zu werden, ihren tiefen göttlichen Grund wieder zu finden. Sie ist ein Vollstrecker des Karmas und kann für verirrte Seelen ein unerbittlicher Lehrmeister, ein Guru, sein. […] Im wahren Sein sein, das ist Gesundheit.“ (BNH 99)
Rudolf Steiner liefert die „natürlichen kosmischen Rhythmen“, Fasten, sexuelle Enthaltsamkeit und Stressvermeidung sind ebenfalls Grundbedingungen einer erfolgreichen Therapie. Gegen „geopathischen Stress“ helfe das Auspendeln durch Dr. Orth, der freilich gegen Gebühr vorbeikommen muss. (BNH 171) Radikalkuren wie eine Tinktur aus der Herbstzeitlose gegen Fleckfieber, Rickettsiose, Ehrlichsiose wird zwar mit einem Warnhinweis „extrem toxisch“ versehen, aber als wirksam bezeichnet. (BNH 193) Kolloidales Silber sei ohne Nebenwirkungen, Argyrie (Silbervergiftung) scheint Storl nicht bekannt. (BNH 194)
Wenn die Therapien nicht wirken, lenkt Storl von der Therapie selbst ab: „Eine Frau sagte, sie hätte kaum Besserung erfahren, aber ich vermute, das hat weniger mit der Karde zu tun als mit den Lebensumständen, in denen sie sich befindet, nämlich einem unglücklichen Hörigkeitsverhältnis zu einem Mann, den sie eigentlich verabscheut.“ (BNH 173) Für die Erklärung von sich verschlechternden Zuständen ist aus der Homöopathie das Konzept der „Erstverschlimmerung“ und bei Storl die „Herxheimer-Reaktion“ entworfen worden, die umso schlimmer auftrete, je stärker die „Schwermetallbelastung, der Versäuerungsgrad“ sei. (BNH 175) Weiter führt Storl das Scheitern von Therapien auf mangelnden „Gesundungswillen“ zurück, oder auf eine wahllose Bandbreite von realen oder imaginierten Missständen: „[…] und das alles in einer Welt, wo Tier- und Pflanzenarten aussterben, Rohstoffkriege über die Bühne gehen, Gletscher schmelzen, Steuern steigen, Chemtrails den Himmel bedecken, Familien auseinanderbrechen, Arbeitslosigkeit droht, Dekadenz die Kultur zerfrisst. Wie soll man da nicht krank werden?“ (BNH 98f) Borrelien gehörten „zum merkuriellen Zeitalter, das in rasender Geschwindigkeit wie ein Orkan seinem Höhepunkt zutreibt. Händler, Geschäftemacher, Politiker, Touristenströme düsen mit Überschall massenweise durch die Welt, die zu einer globalisierten ‚One World‘ geworden ist. Grenzen fallen: Landesgrenzen, Geschlechtergrenzen, [sic!] Anstandsgrenzen. Satelliten, Internet und Funk vermitteln eine Flut von Daten, Bildern, Informationen, die keine Seele mehr verdauen kann.“ (BNH 208)
An anderer Stelle heißt es: „Auch für [Hahnemanns] spätere Anhänger gelten die Mikroorganismen nicht als die Krankheitsverursacher, sondern sie besiedeln einfach geschwächtes Gewebe, ebenso wie Borkenkäfer Fichten infizieren, die vorher schon durch Elektrosmog, Strahlung von Handymasten, sauren Regen oder Sturmschäden geschwächt wurden.“ (BNH 209)
Die pathologische Kälte und Skrupellosigkeit im Umgang mit Leidenden ist letzten Endes verwandt mit faschistischen euthanasischen Konzepten. Sterbenden Patient*innen, wird Schwäche, Eigenverschulden oder Fremdwirkung von Chemie- und Pharmaindustrie vorgeworfen. Dasselbe Konzept ist auch aus Hexereivorstellungen bekannt: Im Krankheits- oder Todesfall wird mitunter nicht eine andere Person, sondern der Patient oder die Patientin selbst als Hexe identifiziert. Tod und Krankheit sind dann gerechte Strafe für Hexerei und nicht Resultat scheiternder Therapie.
„Alternative Medizin“ ist kaum in den Reservaten zu halten, die sie gesetzgeberisch als wohltuende Ergänzung oder Placebo erhält. Um verkaufsfähig zu werden, muss sie tendenziell immer die ernsthafte Konkurrenz behaupten und dafür muss sie die Nebenwirkungen von wissenschaftlicher Medizin drastisch übertreiben, deren Erfolge lächerlich machen oder verschweigen und die eigene (häufig nur vermeintliche) Wirkung ins Riesenhafte übersteigern.
Dazu lässt Storl auch nicht das Coronavirus aus. Seine Impfgegnerschaft hat Storl in einem Vortrag „Unser heiliger Wald – Vortrag am 27.12.2020“ unterstrichen. Hier empfiehlt er Holunderküchlein als antivirales Mittel. „Klinische Studien zeigen“, „dass das eins der besten Mittel ist gegen Viren aller Art, gegen die es keine Impfungen gibt. Um ehrlich zu sein, es gibt da DNA- und RNA-Viren, das sind so kleine Proteinschnipsel und die mutieren ständig. Die halten unser Immunsystem auf Trab – das ist nie dasselbe Virus …. deshalb ist es unmöglich, gegen Viren zu impfen, also gegen Schnupfen und Grippe, denn – das habe ich bei einem Virologen gelesen – wenn der Impfstoff hergestellt ist, ist der Virus schon so verändert, dass der Impfstoff nutzlos ist – aber, Riesengeschäft, ist ja klar. Und da gibt es einen Philantrop, einen Menschenfreund, und der heißt Bill Gates. Und der will unbedingt, dass 7 Milliarden Menschen geimpft werden und der hat wieviel Milliarden an die WHO gegeben, selbst Aktien in den großen Pharmakonzernen, der Charité und der Bildzeitung, der Welt und dem Spiegel und anderen Zeitungen Geld gegeben, damit sie auch die Menschen richtig informieren und da nicht Aluhutträger mit so Ideen zum Zuge kommen. Und wenn dann geimpft wird, leider ändert sich das Virus so schnell, dass man immer wieder impfen muss.
Und die neuen Impfstoffe ändern dann unsere Genetik in Zellen, die dann ähnlich wie Viren so Bruchstücke aussondern. Also das Gemisch ist fauler Zauber, wenn eine Grippe kommt, das hab‘ ich schon immer gemacht, ich geh da in die Stadt und geh an die Kasse und […] krieg da eine volle Ladung ins Gesicht, dann geh ich nach Hause, mach mir einen Holunderblütentee und schwitze und […] weiß, ich kriege die Grippe nicht. [Wenn die Luftfeuchtigkeit stimmt … Man muss da] nicht so viel Panik haben, die großen Seuchen sind nicht wegen Impfungen zurückgegangen … da waren die Seuchen schon im Niedergang. Die haben nicht die Seuchen verändert. Es sind nicht die Viren, sondern es ist das Milieu. […] Man kann das angehen, indem man das Milieu bessert und es muss nicht unbedingt eine fragliche Impfung sein. Das ist meine Sache, ich kann da auch vollkommen danebenliegen, aber ich halte mich daran, schon immer.“ Dafür erhält er Szenenapplaus. Der Verweis auf die „Aluhutträger“ ist ironische Aneignung, die Storl gezielt auch bei den Begriffen „Paranoiker“ und „Verschwörungstheoretiker“ vornimmt.
Mongol*innen und Indigene Nordamerikas
Zu dem sozialdarwinistischen Blick auf Krankheit und Heilung passt Storls Ideal der kulturellen Härte. Er zitiert dazu die Frage eines Cheyenne und Weltkriegsveterans, der sich angesichts von deutschen Hippies fragt, wo denn die „echten Deutschen“ seien, „die so tapfer im Krieg gekämpft haben“. Die „härteste Askese“ und die „harte Selbstbeherrschung“ des Sonnentanzes, so Storl bewundernd, hätten den Cheyenne ermöglicht, so lange gegen die europäische Invasion zu kämpfen. Daher verachte der typische Cheyenne „Weicheier“ und „Alles-ist-Licht-und-Liebe-Mimosen“. (WM 23) In dieser Beziehungslosigkeit assoziiert er deutsche Wehrmachtssoldaten mit der als Cheyenne bezeichneten indigenen Gruppe.
Diesen indianischen „Geist“ sieht er dann auch in „mongolischen Nomaden“ heute. (WM 22f) An deren Reiterspiel hätte „Dschingis Khan seine Freude“ gehabt. (WM 38) Dschingis Khan ist für Storl ein „schamanischer Herrscher“ und sein persönliches „Jugendidol“. Eindeutig in bewunderndem Ton spricht er ihn als „wahres Kind der Steppe“ an, der die „Städte, in denen die Menschen verweichlichen“ nicht möge. Wohlwollend zitiert er einen Geschichtsschreiber: „Die Städte müssen dem Erdboden gleichgemacht werden, bis die ganze Welt eine Steppe ist, in der die Mütter ihre freien und glücklichen Kinder ernähren.“ (WM 200) Storl schreibt über einen der größten Genozideure der Geschichte: „Dschingis Khan ließ es nicht zu, dass man Andersgläubige verfolgte oder ihnen ihre Religion verbot. In seinem Reich herrschte vollständige religiöse Toleranz.“ (WM 201) Gegen Ende gesteht er in vier Zeilen zu, dass „Dschingis Khans Vorgehen gegen seine Feinde […] äußerst brutal sein“ konnte. „Das traf aber nur zu, solange Krieg war. Er war kein Kreuzritter oder religiöser Fanatiker. […] Im größten Reich, das die Erde je sah, herrschte Frieden, Sicherheit, Religionsfreiheit und Gerechtigkeit – die sogenannte pax mongolica. […] Es heißt, in seinem Reich konnte eine Jungfrau mit einem Topf Gold unbehelligt durch die Nacht marschieren.“ (WM 205) Er erklärt die Analogie von Himmel und spiritueller Macht wie folgt: „Jemand wie Dschingis Khan hatte einen riesigen Himmel.“ (WM 213)
Als Gegenbild dient Storl der Buddhismus. Der Buddhismus habe, so zitiert er wohlwollend einen Mongolen, aus den „stolzen mongolischen Kriegern auf ihren Rossen“ die „blassen, geschorenen, über Schriften gebeugten, Mantras murmelnden Mönche“ gemacht, die „für die Chinesen keine Bedrohung mehr“ gewesen seien. In den Städten warte heute „Verweichlichung“ und „Konsumsucht“ auf die ehemaligen Nomaden (WM 113). Die Opposition von stolzen Reiternomaden und verbildeten Chinesen, die den Buddhismus als kulturelle Waffe einsetzen, entwirft ein normatives Weltbild, das klar an den Werten konservativer Ethnologie und rechter Esoterik orientiert bleibt. Es trifft sich ebenso bruchlos mit dem nationalistischen Wiedererwachen von Religion und neuheidnischer Esoterik in den postsozialistischen Gesellschaften. Daher überrascht es nicht, neben einer Lobrede auf den russischen Staat auch die Anastasia-Bewegung erwähnt zu sehen:
„Die wenigsten im Westen wissen, dass die ökologische Landwirtschaft in Russland inzwischen staatlich gefördert wird. Genveränderte Organismen (GVOs) sind verboten, wie auch das dazugehörige Glyphosat, das nach WHO-Einschätzung krebserregend sein könnte. Die Ideen der sibirischen Waldfrau Anastasia, wie sie in den Büchern von Wladimier Megre dargestellt werden, finden immer mehr Anklang. Auch Sepp Holzers Permakultur findet in Russland fruchtbaren Boden.“ (WM 148)
Über Peter Badmayev, einen tibetischen Arzt, der im zaristischen Russland populär wurde und die Eroberung von Mongolei und China im „Great Game“ anstrebte, schreibt Storl, er sei „hundertneunjährig“ von den Bolschewisten ermordet worden, weil sein Weidenröschentee so gesund gewesen sei. Unter anderem kolportiert Storl, er solle Darmtumoren entgegenwirken. Im Zweiten Weltkrieg aber hätte der Weidenröschentee dann den Russen das Leben gerettet, weil Hitler im Glauben an die Wunderwirkung eine Fabrik für den Tee angreifen lassen hätte, was Leningrad gerettet hätte. (WM 183ff) Altersangabe und Mordvorwurf sowie alle weiteren geschichtlichen Erzählungen erfolgen ohne jeden Beleg und sind von seriöser Geschichtswissenschaft nicht gedeckt.
Kosmologie
Storl übersetzt diffuses Unbehagen über Umweltzerstörung in eine kosmologische Zeitenwende, die eine eigene dämonologische Symbolik entwickelt: „Wenn man gewahrt, mit welcher Wucht die uralt überlieferten Lebensweisen der Menschen und die Lebensräume von Pflanzen und Tieren hinweggefegt werden, dann muss man tiefer schauen. […] Aber in einem Zeitalter, in dem Tugend und Güte schwinden, da rütteln die Monster an ihren Ketten und brechen aus dem dunklen Abgrund hervor. Metalle, die im Schoß der Erde Millionen von Jahren schlummerten, rasen nun als Flugmaschinen durch die Lüfte und als Kraftfahrzeuge über schwarze Asphaltbahnen und vernichten dabei die organisch gewachsene Natur und die fruchtbare Haut der Erde. Ihr Treibstoff, das schwarze Blut der Erde, das Öl, verpestet Luft und Wasser. Ihre geballten Energien, Elektrizität und Atomkraft, bahnen Schneisen der Zerstörung. Diese titanischen Energien sind etwas anderes als natürlicher Wind, Wasser oder Sonnenschein; sie sind nicht Teil der Phänomene, die unsere Sinnesorgane wahrnehmbar sind. Sie sind nicht übersinnlich, sondern ‚untersinnlich‘. Magnetismus, Strom und Radioaktivität können unsere normalen Sinne nicht wahrnehmen. Sie sind im Grunde genommen ‚außerirdisch‘ – oder wie die Germanen es gesagt hätten: Sie gehören nicht zu Midgard, sondern brechen herein von jenseits des Ringes des Lebens, aus Utgard, wo die Thursen (Riesen), die Feinde der Götter, hausen.“ (WM 115) Auch Timothy Leary sei von „titanischen Energien“ getrieben, der „Cyberspace“ eine „titanische Verblendung“. Dieser Anschluss an germanische Mythologie findet sein Gegenstück stets aufs Neue in der „Amerikanisierung“: „Amerika, als Ideologie, ist global, ist abgelöst von der Erde unter den Füßen und vom unmittelbaren blauen Himmel. […] Nun leben wir alle in Amerika.“ (WM 68) Amerika steht symbolisch für das „Zeitalter der Verblendung“, in dem Storl mit einem hinduistischen Mythos „Dämonen die Weltherrschaft anstreben“ sieht. Wie dieses System sich ändern solle, lässt Storl im Dunklen. In fantastischer Abstraktheit lässt er Rama und Sita mithilfe der Heilpflanzen Hanumans ein „goldenes Zeitalter“ der „Wahrheit und Freude“ einleiten. (WM 116)
Die Opposition von germanischem Mythos und Amerikanisierung bietet für die neuheidnische Rechte einen attraktiven Interpretationsrahmen. Die „titanischen Kräfte“ müssen in ihren Kreisen gar nicht mehr explizit als „jüdische Weltverschwörung“ benannt werden, so klar ist die Analogie, auch wenn Storl heftige Einwände gegen diesen Schluss erheben würde, den er jedoch bis zu diesem Schritt ohne jede Bedenken vorbereitet.
Klimaleugnung
Die dämonologische und verschwörungslogische Interpretation der Welt geht bei Storl einher mit einer Übernahme neurechter Antiökologie. In einem Interview mit Ken Jebsen [11] behauptete er: „CO2 ist auch kein Treibhausgas ... das schwebt nicht da oben irgendwo rum ... es ist schwerer als Luft, deshalb haben die Pflanzen auf der Unterseite ihre Spaltöffnungen. CO2 ist das Lebenselixier ...“ CO2 sei durch Muscheln und Calciumkarbonate eingeschlossen worden und daher sei das CO2 in der Luft knapp geworden: „Für die Pflanzen wurde es eigentlich immer enger ...“ Heute würden die Pflanzen „nach Luft schnappen“ und seien froh über CO2. "CO2 ist kein Problem, sondern es tut der Natur gut.“ Über Klimakurven sagt er: „Erst kommt die Erhitzung, dann erhöht sich der CO2-Spiegel.“ Oder auch: „CO2 ist kein Klimagift, CO2 ist das Gas des Lebens.“ Mit der Abwertung von Fridays for Future folgt er ebenso einem rechten Narrativ: „Die Kinder, die bei FFF mitmachen, werden im Grunde genommen missbraucht.“
Storls Klimanarrativ ist integrativer Bestandteil eines antiwissenschaftlichen Weltbildes, das sich ständig in Opposition zu etabliertem Wissen bringt: „Die Klimapanik […] basiert weniger auf empirischen Messungen, sondern vor allem auf Computerprojektionen und -modellen. Die Vorhersagen sind meistens inkorrekt: Sie lassen sich auch nicht im Sinne Karl Poppers falsifizieren. „Garbage in, Garbage out“, kommentierte ein Freund, der Computerexperte ist. Man könne sich fast genauso gut eines Kristallkugelorakels bedienen.“ (EW 268) En passant verbreitet er den Mythos, Windräder würden in signifikantem Ausmaß Fluginsekten „schreddern“. (EW 252) Storl hat hinreichend zu Insekten gearbeitet, um zu wissen, dass Windräder keinerlei Einfluss auf Populationen der an den Flügeln anfallenden Blattläuse und Rapsglanzkäfer haben und mitnichten biotopgebundene bestandsgefährdete Arten zusätzlich gefährden können. Es geht auch hier nicht um konsistente Hypothesenbildung, sondern um Stimmungsbilder. Windräder stehen innerhalb Storls manichäischem Weltbild für die technozentrische Seite. Die Auswirkungen der Seltenerdproduktion in der Mongolei führt er auf „moderne Elektronik, für Windräder und Elektroautos“ zurück. Das ist korrekt, nur sein Schluss dockt vollständig an die Demagogie der neuen Rechten im Umfeld der AFD an, wenn er rhetorisch fragt: „Und überhaupt, wo kommt der Strom für die Akkus der Elektrofahrzeuge her? Können Windräder und Solaranlagen den immensen Energiebedarf des neu konzipierten Transportsystems decken? Oder müssen französische Atomkraftwerke und gigantische Kohlekraftwerke die Lücke füllen? Auf solche Fragen kommt man, wenn man vor Ort sieht, was der Bergbau in den Ländern anrichtet, die die Rohstoffe liefern.“ (WM 107) Windräder werden auf diese Weise umbewertet: vom Konkurrenten zur Ursache von Atomenergie und Kohlestrom, zu denen dann keine Alternative angeboten wird.
Storl verkauft Optimismus dadurch, dass er reale Gefahren verniedlicht und technische Lösungen lächerlich macht oder als reines Geschäftsinteresse interpretiert: „In den achtziger Jahren versuchte man die Schuld für das Ozonloch auf die Menschen zu schieben: Die Ausdünstungen ihrer Kühlschränke würden die Ozonschicht angreifen, hieß es. Sämtliche Kühlsysteme umzurüsten war ein lukratives Geschäft.“ (EW: 265)
Klimaerhitzung, ob durch Menschen, HAARP [12] oder El Nino verursacht, (wie Storl in den Raum wirft) macht ihm „keinen Kopf“, weil er weiß, dass er nicht zu den Verlierern gehört. „Wenn es nach mir ginge, könnte die Klimaerwärmung eigentlich viel schneller gehen, denn dann würde der Meeresspiegel ansteigen und die Berge – auch wo wir wohnen – zu Inseln werden. Dann bräuchten nur noch ein paar Kokosnüsse angeschwemmt zu werden und Palmen heranwachsen, und man könnte faulenzend am Strand liegen. Einziges Problem: Wo bekäme man die dazugehörige eisgekühlte Pina Colada oder den Gin Tonic?“ (EW 236)
Hier spricht ein heiterer Zynismus, der das Bündnis zwischen Wirtschaftselite und neuen Rechten in Sachen Klimaleugnung prägt. [13] Und dieser Zynismus ist mit derselben Immunisierung gegen die Opfer verbunden wie die alternativen Therapien, die Storl anbietet.
Auch seine Esoterik macht Storl anschlussfähig in Ken Jebsens Kreisen: Man müsse statt Klima-Aktivismus seine Spiritualität entdecken, Garten und Bäume anlegen und die „Seelenbilder der Germanen“ beachten, ohne die wir „wurzellos“ seien. Die Simplizität der angebotenen Maßnahmen bietet eine Entintellektualisierung an, die einem Publikum zupass kommt, das zwar beunruhigt genug ist, um eine Autorität aufzusuchen, aber egoistisch genug, um das Angebot der Besitzstandswahrung um jeden Preis anzunehmen.
„Die Welt wird nicht enden und auf keinen Fall durch CO2“, verspricht Storl ihnen im Interview mit Ken Jebsen. Und in „Wolfsmedizin“ schreibt er: „Die Menschen werden irre gemacht. Das Unmittelbarste und Naheliegendste verblasst, und der Kopf wird mit AIDS-, SARS-, Vogelgrippe-, Schweinegrippe-Panik, Klimahysterie, Terrorismusangst, Sport- und Prominententratsch vollgestopft. Voll mit lauter Halbwahrheiten. Heißt es aber nicht: Die halbe Wahrheit ist die ganze Lüge? Wo soll ein Mensch da Halt finden? Auch der Mensch braucht feste Wurzeln wie ein Baum, wenn er wachsen und gedeihen will. Wer kann uns in dem Wirrwarr von abstrakten und beunruhigenden Informationen am besten den Weg weisen, wenn nicht die wurzelnden Wesen selbst, die Pflanzen!“ Solche „Geisterseherei“ sei „kollektive Neuorientierung“, „Revitalisierung“ von Gesellschaft. (WM 47)
Neophytenesoterik
Beruhigung liefert Storl auch in der Problematik der Neobiota. Neobiota sind Tier-, Pflanzen- oder Pilzarten, die vom Menschen in andere Kontinente verschleppt wurden und von denen ein geringer Teil invasiv wird und dadurch erhebliche Schäden anrichtet. Aufgrund einer symbolischen Nähe von eingewanderten, „fremden“ Arten und Ausländerfeindlichkeit wird das Feld der Neophytenbekämpfung mitunter von rechten Tendenzen im Naturschutz besetzt. [14] Gleichzeitig entstand eine Szene, die die Bekämpfung invasiver Neobiota vollständig ablehnt und diese im Gegenzug aufwertet zu Hoffnungsträgern in der Klimakatastrophe. Auch Storl sieht in der „Kampagne gegen invasive Pflanzen“ „hysterische Dimensionen“, eine „Verleumdungskampagne“, die er der „Agrarindustrie“ anlastet, die Herbizide gegen Neobiota verkaufen wolle. Die Bekämpfung von Neobiota wird in der Ökologie rationalistisch diskutiert und nur in sehr seltenen Fällen werden Herbizide verwendet. Meist erfolgt die Beseitigung ehrenamtlich und nur dort, wo die knappen Mittel vorhanden sind und wo die Bedrohung anderer Arten am drängendsten ist. Storl inszeniert diese meist recht skeptisch und pragmatisch geführte Diskussion innerhalb des wissenschaftlich geleiteten Naturschutzes als politische Ideologie und setzt sich selbst als rationale Alternative in Szene, die die Nutzung von Neophyten als Heilmittel oder Nahrungsmittel betont. Dabei wird eine unerwartete Brücke nach rechts geschlagen. An Neophyten bewundert Storl ihre Stärke. Genmanipulierte Pflanzen hingegen seien „schwach“ und nur mithilfe technischer Unterstützung lebensfähig. Sie würden „von der Natur ausgemerzt“. (EW 65) Aus Neophyten werden „verteufelte“ Opfer einer „Hysterie“, die nur deshalb Heuschnupfen erzeugten, weil wegen der „weitverbreiteten Antibiotika und der Massenimpfungen das Immunsystem nicht mehr richtig funktionsfähig ist“. (EW 78) So zeigt Storl, dass Neobiota ebenso wie ihre rationalistische Bekämpfung als Projektionsfläche dienen können.
Fazit
Storl hegt ein ökoromantisches Weltbild, das Ethnie, Therapie und Umwelt sehr stark zusammenflechtet und mit klassisch rechten Symbolen von Verwurzelung und Ursprünglichkeit arbeitet. Die Tarnung als bekehrter Rationalist und als skeptischer Forscher wird immer wieder achtlos weggeworfen, wenn es darum geht, sich als besserer Schamane zu inszenieren. Als Esoteriker spottet er über Esoteriker*innen und als Klimaleugner behauptet er, keiner zu sein.
Im Modus des Hörensagens kolportiert Storl immer wieder Verschwörungsfantasien, die bruchlos an gängige Konzepte in der rechten Esoterik andocken. Dazu gehören die angeblichen „Wetterexperimente“ durch „HAARP“, mit dem man, so Storl, Dürren und Überflutungen erzeugen könne in „Ländern, die aus der Reihe tanzen“. Auch wenn er nachschiebt, man sei angesichts von „Information und Desinformation“ als „Laie selbstverständlich nicht in der Lage, zu beurteilen, was da genau abläuft“. (EW 109)
Der Holocaust begegnet ihm spät, allerdings reflektiert er durchaus glaubhaft das Problem der Relativierung. Dennoch klingt es schal, wenn er schreibt: „Es schien mir, als sehen sich die Bundesdeutschen als die Weltmeister der Schuldgefühle und zugleich aufgrund ihrer Sühneanstrengungen und ihres Wiedergutmachungswillens als Weltmeister der Moral.“ (MAK 458) Eben die letzte Formulierung wurde ab 2015 für das gezielte Framing einer humanistischen Einwanderungspolitik als Pathologie, als moralische Überheblichkeit eingesetzt. [15]
Im Rechtspopulismus lassen sich zwei Strategien verorten, die sich gegenseitig verstärken: Zum einen treibt faschistische Propaganda Menschen in einen gefälschten Notstand, in dem ihre natürlichen Notwehrreflexe zur Verfolgung von als übermächtig inszenierten, real aber schwachen Minderheiten mobilisiert werden. Dieses aufwiegelnde, paranoische Element trifft auf ein sedatives: Gleichzeitig muss Propaganda Realängste dämpfen, wo sie zu einem realistischen Krisenbewusstsein führen, das in eine konkurrierende gesellschaftliche Praxis münden würde.
Storl schürt Paranoia vor Verschwörungen insbesondere in der Biomedizin. Sein sedatives Moment ist ein idealisiertes Bild von „Ureinwohner*innen“ ohne Krankenhäuser, Polizei, Hunger. So verstärkt er den Wunsch nach einer regressiven Lösung. Als Autorität tritt nun der Schamane auf, der den mystischen Zugang zu Wahrheiten und den Erzählungen der Pflanzen hat und das Krankenhaus überflüssig macht. Storl folgt dabei der Gaia-Hypothese, dass die Erde ein vernetzter Organismus sei. „Die Natur ist selbstregulierend, sie heilt sich selber. Auch mit der Dummheit ihrer Menschenkinder wird sie wohl fertig werden.“ (EW: 267) James Lovelocks Gaia-Fantasie wird heute von Rechten und Wirtschaftsideolog*innen neu aufgelegt: Sie erklären die Erde für mächtig, unverwundbar durch die kleinen Menschenwesen. Ressourcen seien unendlich und die Idee, dass der Mensch das Klima beeinflussen könne, sei wahnhaft und Panikmache.
Bislang lebt Wolf Dieter Storls Einfluss maßgeblich von seiner Inszenierung als gutmütiger, weißbärtiger Waldschrat und Einsiedler, der humorige Geschichten von den Pflanzen übermittelt und Mythen mit Augenzwinkern vorträgt. Wie die Analyse seiner Schriften und Vorträge jedoch zeigt, sucht und findet er explizit den Anschluss an rechte Verschwörungspropaganda, die er wiederholt, umarbeitet und ihr zuarbeitet. Seine Therapieempfehlungen und -abempfehlungen gefährden Patient*innen an Leib und Leben. Dabei entwirft er keine konsistente, kritisierbare Theorie, sondern schreibt kontrafaktisch und häufig in offenem Selbstwiderspruch, um das propagandistische Ziel einer Dämonisierung von Biomedizin und Technik zu erreichen. Das sollte ihn zu einem Gegenstand ständiger Kritik und Beobachtung werden lassen.
Felix Riedel
Dr. phil. Felix Riedel ist Ethnologe und als freier Journalist sowie in der politischen Bildungsarbeit tätig.
Literaturverzeichnis
EW: Storl, Wolf Dieter 2020: Einsichten und Weitblicke. Aarau, München: AT Verlag.
WM: Storl, Wolf Dieter 2018: Wolfsmedizin. Eine Reise zu den Pflanzenheilkundigen in der Mongolei und in Sibirien. Aarau, München: AT-Verlag.
MAK: Storl, Wolf Dieter 2017: Mein amerikanischer Kulturschock – meine Jugend unter Hillbillies, Blumenkindern und Rednecks.“ München: Kailash.
BNH: Storl, Wolf Dieter 2007: „Borreliose natürlich heilen.“ Aarau, München: AT-Verlag.
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[1] https://www.youtube.com/watch?v=3forl19GIAA
[2] Leute, die sich in der Vereinzelung auf Katastrophen vorbereiten, Bunker bauen und Nahrungsmittel horten.
[3] Theodor W. Adorno hat diese Ansammlung von essentialistischen Mythologemen an Heidegger kritisiert und als „Jargon der Eigentlichkeit“ gefasst.
[4] https://www.youtube.com/watch?v=6YUh_CGMnwU
[5] https://www.youtube.com/watch?v=4_qfcrCs-BE
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-werteunion-fordert-ausschluss-von-umstrittenem-parteimitglied-otte-a-1273257.html
[7] Peter Krause: „Der Öko und die Rechten.“ Info3, 11/2017, S. 12ff.
[8] Nach Martin Frischknecht: „Storl so rechts wie links?“ In: Spuren. https://spuren.ch/content/magazin/single-ansicht-nachrichten/datum////storl-so-rechts-wie-links.html
[9] Adorno, Theodor W. 1994: „The stars down to earth” and other essays. London: Routledge.
[10] Quinton Johnson et. Al. 2007: “A randomized, double-blind, Placebo-controlled Trial of Lessertia frutescens in healthy adults.” In: Plos Clinical Trials Apr 2/4, via https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1863514/
[11] Das Video youtu.be/hpRVcWPtJ-w ist inzwischen nicht mehr verfügbar, dafür ein dreistündiges Interview mit ähnlichen Inhalten: kenfm.de/wolf-dieter-storl/.
[12] Das „High Frequency Active Auroral Research Program” in Alaska dient zur Erforschung der oberen Atmosphäre. Obwohl die Forschungsergebnisse alle öffentlich sind und die Anlage besucht werden kann, ist sie ein populäres Ziel von Verschwörungsfantasien um Klima und Wetter geworden.
[13] Siehe FARN: „Aspekte gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Natur- und Umweltschutz.“
[14] Siehe https://www.nf-farn.de/rechtsextreme-argumente-mythen-thema-neobiota
[15] So z.B. Pascal Bruckner im Interview „Die Deutschen stehen allein da.“ Via https://www.zeit.de/2016/17/pascal-bruckner-schriftsteller-frankreich-intelektuelle-europa
Zur Politik des Framing siehe George Lakoff 1990: Don’t think of an Elephant! Know your values and frame the debate. Chelsea: Chelsea Green Publishing.
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