Die alltägliche Diskriminierung durch Sprache wird oft lächerlich gemacht
1.6.2021 | Im vergangenen Jahr, nach dem Mord am Schwarzen US-Amerikaner George Floyd durch einen weißen Polizisten, erreichten die Black-Lives-Matter-Proteste auch Deutschland. Eine längst überfällige Debatte über Polizeigewalt, Rassismus und Kolonialismus wurde in Gang gesetzt.
Neben der Kritik am kolonialen Raubgut im neuen Berliner Humboldt-Forum wurde auch die „Mohrenstraße“ in Berlin-Mitte in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ umbenannt. Der Afrikaner Anton Wilhelm Amo stammte aus dem heutigen Ghana, lebte im 18. Jahrhundert zeitweise in Deutschland und war Philosoph und Rechtswissenschaftler.
Aber auch abseits der großen Öffentlichkeit begegnen uns koloniale und rassistische Bezeichnungen im Alltag sowie in vermeintlichen Nischen wie der Naturkunde. Im Gartencenter wird die Staude mit dem Namen „Zigeunerblut“ als bienenfreundlich angepriesen und die „Zigeunerblume“-Zwiebelmischung als „schön auch im Kübel“. Die Bezeichnung „Zigeuner“ bedient sich einer antiziganistischen Diskriminierung von Sinti*ze und Rom*nja und war ebenfalls ein Aufregerthema rund um die Umbenennung der gleichnamigen Paprikasauce.
Ebenso gibt es zahlreiche Arten, die mit „Mohr“ oder „Hottentotten“ bezeichnet werden, womit Schwarze, Indigene und People of Color diskriminiert werden. Der Ethnologe Felix Riedel berichtete in einem Artikel für FARN über seine Erfahrungen in Naturkunde-Onlineforen. Dort versuchte er, am Beispiel des „Mohrenfalters“ über die kolonialen Ursprünge der Namensgebung aufzuklären und für die rassistische Wirkung zu sensibilisieren. Dabei stieß er auf eine enorme Abwehrhaltung, die sich zwischen offenem Rassismus und der Lächerlichkeitsmachung des Problems bewegt. Verständnis für mögliche Umbenennungen gab es zwar auch, abgelehnt wurden diese aber trotzdem, da es scheinbar zu große Hürden gebe.
Riedel zeigte allerdings auf, dass Arten durchaus umbenannt werden können und gerade ihre deutschen Bezeichnungen keine allzu großen Hürden darstellen würden. Zur Debattenkultur konstatierte er: „Heute äußern sich viele Weiße in einer Weise über Sprachänderungen, als wären sie die Opfer in der Geschichte. Empathie für die Opfer von diskriminierender Sprache tritt in den Hintergrund.“
Den Befürworter*innen der Umbenennungen geht es nicht um die stets als Gegenargument angeführte „Zensur“ und launenhafte Umbenennung von Straßen oder Schmetterlingen, sondern um einen bewussten Umgang mit alltäglichem Rassismus und unserer eigenen Kolonialgeschichte. Beides wirkt weit tiefer in unseren Wortschatz hinein, als viele annehmen. Mit einer Sensibilisierung der eigenen Sprache werden soziale Probleme und Alltagsrassismus sicher nicht gelöst, aber sie leistet als Akt der Solidarität mit den Betroffenen ihren Beitrag.
Marion Andert / Yannick Passeick
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Mitgliederzeitschrift der NaturFreunde Deutschlands, NATURFREUNDiN 2-2021