Eine Zeitschrift für Naturschutz, die „Ökologie aus ganzheitlicher Perspektive“ betrachten und sich mit „Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum“ beschäftigt – das klingt doch interessant. Um Klimaschutz soll es dabei aber nicht gehen – aha, warum? Also ein Blick in den Innenteil: Und da wird plötzlich der thüringische AfD-Chef Björn Höcke interviewt.
Jetzt ist klar: „Die Kehre“ ist überhaupt keine gewöhnliche Naturschutz-Zeitschrift. Sie gibt sich bürgerlich, ist aber völkisch und nationalistisch ausgerichtet ist. Was Höcke in diesem Interview erzählt, sind die üblichen Vorstellungen brauner Ökos: Der Naturschutz sei den Rechten von den Grünen geklaut worden, wahren Naturschutz könnten ohnehin nur diejenigen betreiben, die ihre Heimat liebten und überhaupt sei linker oder grüner Naturschutz eigentlich umweltfeindlich und ideologisch verblendet.
Seit dem Frühjahr 2020 verbreitet „Die Kehre“ vierteljährlich völkische Ideologie im Natur- und Umweltschutz – inzwischen auch im stationären Handel. Das ist Taktik: Die harmlos wirkenden Beiträge sollen über das rechte Lager hinaus wirken.
Hinter der Zeitschrift stecken altbekannte Ideolog*innen. Der Chefredakteur Jonas Schick kommt aus der Identitären Bewegung, die das politische Mimikry seit Jahren erfolgreich betreibt. Förderer des Projekts ist nach eigenen Angaben auch das rechte Netzwerk „Ein Prozent für unser Land“ um Philip Stein. Und im Hintergrund involviert ist offensichtlich auch das rechte „Institut für Staatspolitik“. Weitere Autor*innen sind einschlägig aus dem Spektrum der neuen Rechten und der AfD bekannt, etwa Ökolandwirt Michael Beleites. Interviewt wurden auch Alexander Gauland sowie der neu-rechte Vordenker Alain de Benoist.
Der Zeitschriften-Titel orientiert sich am Werk „Die Technik und die Kehre“ von Martin Heidegger, einem der Idole neu-rechter Ideengeschichte. Wenig verwunderlich finden sich auch immer wieder lobende Worte für alte „Heimatschützer“ wie das NSDAP-Mitglied Paul Schultze-Naumburg oder die rassistische Rhetorik eines Herbert Gruhl. Das alles ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Daher braucht es Aufklärung über die Hintergründe und Ziele einer solchen Zeitschrift. Antidemokratische und menschenfeindliche Ansätze haben im Naturschutz leider Tradition, aber bekommen auch starke Gegenwehr.
Tatsächlich kann hier jede*r etwas tun. Denn seit kurzem wird „Die Kehre“ eben auch in Kiosken und Zeitschriftenläden vertrieben. Ob sie in das Sortiment aufgenommen wird, entscheidet jedes Geschäft selbst. Deren Inhaber*innen wissen möglicherweise aber gar nicht, was hinter der so unauffällig daherkommenden Ökozeitschrift steckt. Sie sollten informiert werden. Hier findet ihr Tipps für die Ansprache von Zeitungsläden, in denen „Die Kehre“ verkauft wird: „Die Kehre“ aus dem Laden kehren
Yannick Passeick
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Mitgliederzeitschrift der NaturFreunde Deutschlands NATURFREUNDiN 4-2021.