Es ist das Horrorszenario der extremen Rechten in Europa: Die einheimische Bevölkerung wird durch eine fremde ausgetauscht! Durch vermeintlich unkontrollierte Migrationsbewegungen werde die weiße Mehrheitsgesellschaft schon in naher Zukunft in der Minderheit sein und letztlich aussterben. Damit das nicht passiert, fordern Rechtsextreme die Schließung aller Grenzen, die Rückführung von Migrant*innen in ihre Herkunftsländer und finanzielle Anreize für Familien mit einer „reinen“ Ahnenlinie zur Steigerung der Geburtenraten.
Die Verschwörungstheorie vom „großen Austausch“, der „Umvolkung“ oder dem „Bevölkerungsaustausch“ wird medial von vielen Seiten bespielt. Seit dem vermehrten Zuzug von Geflüchteten im Jahr 2015 und zuletzt bei den Diskussionen um den Migrationspakt Ende 2018 konnte sie stark weiterverbreitet werden. Die neu-rechte Zeitschrift „Compact“ hat ihr sogar eine ganze Sonderausgabe gewidmet, in der wild mit Zahlen von Geburtenraten und „Ausländeranteilen“ in deutschen Städten jongliert wird. Alle eigenwillig interpretierten Daten sollen eins belegen: Der Bevölkerungsaustausch findet statt und ist in vollem Gange. Chefredakteur Jürgen Elsässer vergleicht die Situation des „deutschen Volks“ mit der amerikanischer Ureinwohner*innen und schreibt: „Wenn die Regierung das Volk austauscht, muss das Volk die Regierung austauschen. (…) Oder wollen wir die letzten Mohikaner werden?“ (Compact Spezial, Heft 18, 2018).
Damit argumentiert er wie Renaud Camus, dessen Buch „Revolte gegen den großen Austausch“ in der französischen Neuen Rechten ein großer Erfolg war und 2016 durch den Antaios-Verlag von Götz Kubitschek auch auf Deutsch verbreitet wurde. Camus entwickelte schon in den 1990er-Jahren die Theorie, dass weiße katholische Menschen durch vorwiegend muslimische, arabische Menschen ersetzt werden sollen und das Ganze ein Plan der französischen Eliten sei.
Diese Vorstellung von der Verschwörung nationaler oder globaler Eliten gegen das eigene „Volk“ findet sich in der extremen Rechten auf verschiedene Weisen in unterschiedlichen Ländern wieder. Letztlich verfolgen Rechtsextreme immer migrationsfeindliche, rassistische und völkische Ziele, die mithilfe der Emotionalisierung des Themas erreicht werden sollen. Der Erfolg dieser Emotionalisierung lässt sich anhand der Kampagne gegen den UN-Migrationspakt zeigen. Die gemeinsame Erklärung für internationale Standards und Regelungen von Migration wurde fälschlich als globales Abkommen zum Austausch der europäischen Bevölkerungen diffamiert und führte dazu, dass Regierungen mit rechtspopulistischer Beteiligung wie zum Beispiel in Österreich das Dokument nicht unterzeichneten. Dieser irrationalen Angst sollten von demokratischen Kräften rationale Argumente entgegengesetzt werden. Die Zurückweisung eines globalen Plans zur „Umvolkung“ als absurde Verschwörungstheorie ohne jegliche Belege könnte dabei ein Anfang sein.