Wenn von Rechtsextremismus die Rede ist, geht es um Ideologien, Einstellungen und Verhaltensweisen, die von der Ungleichwertigkeit von Menschen ausgehen: Rechtsextreme erkennen die allgemeinen Menschenrechte nicht an, gehen von einem sozialdarwinistisch begründeten „Recht des Stärkeren“ aus und sehnen sich nach autoritären Strukturen. Weil es zahlreiche Ausprägungen eines solchen Weltbildes gibt, wird oft der Sammelbegriff Rechtsextremismus genutzt.
Doch der Begriff Extremismus ist problematisch. In seiner Entstehungsgeschichte wurde er vor allem von eher konservativen Wissenschaftler*innen und Sicherheitsbehörden geprägt, die vom sogenannten Hufeisen-Modell ausgehen: Im Bauch des Hufeisens gibt es die bürgerliche Mitte und an den jeweiligen Enden einen linken sowie einen rechten Extremismus. Trotz großer ideologischer Entfernung nähern sich beide in der Form des Hufeisens wieder an. Dieses Modell geht also zum einen davon aus, dass es eine demokratische „normale“ Mitte gibt und jede Abweichung – ob rechts oder links – außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses steht. Und zum anderen, dass sich abweichende Meinungen von links und rechts strukturell gleichsetzen lassen.
Daraus ergeben sich Probleme: Zum Beispiel verschiebt dieses Modell alle Bestandteile eines rechtsextremen Weltbildes an den extremen Rand und suggeriert damit, dass es in der Mitte der Gesellschaft keinen Rassismus, Sexismus oder Nationalismus geben würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen seit vielen Jahren, dass es auch in der Mitte der Gesellschaft rassistische und menschenfeindliche Ansichten gibt.
Außerdem lassen sich mit der Annahme einer festgelegten gesellschaftlichen „normalen“ Mitte jegliche Bestrebungen zur Veränderung des bestehenden Zustands als extrem bezeichnen und ernsthafte Auseinandersetzungen damit behindern.
Und schließlich ist eine Gleichsetzung von extrem Linken und Rechten nicht zielführend. Beispielsweise ist es geradezu absurd, nach einem nationalistisch motivierten Mord reflexhaft zu fordern, linksradikale wie rechtsradikale Kräfte gleichermaßen stärker zu beobachten. Gewalt und Terror müssen gesondert betrachtet werden – losgelöst vom „Hufeisen-Denken“.
Auf den Begriff Rechtsextremismus in allen seinen Formen zu verzichten, ist schwierig, aber möglich. Ein Schritt in die richtige Richtung ist, die Einstellung oder Ideologie dahinter konkreter zu benennen und zum Beispiel rassistisch, neonazistisch oder völkisch zu sagen.