Im Jahr 1985 wurde der Sammelband „Kulturrevolution von rechts“ mit Texten des neu-rechten Vordenkers Alain de Benoist in Deutschland zuerst veröffentlicht. Damit wurde die theoretische Arbeit der französischen Nouvelle Droite in der sich in Deutschland formierenden sogenannten Neuen Rechten verbreitet. Knapp 30 Jahre später legte der rechte Jungeuropa-Verlag den Band neu auf und die neu-rechte Zeitschrift Sezession lobte ihn als „Pflichtlektüre“.
Welche Bedeutung haben die Texte Benoists für die neu-rechte Ideologie?
Zunächst lassen sich mit der Lektüre eine Vielzahl von Strategien und Handlungen aus dem Netzwerk der Neuen Rechten erklären. Die „Kulturrevolution“ ist eine Anleitung dafür, wie sich rechte Politik effektiv durchsetzen ließe. Benoist greift dabei auf die Theorie des Marxisten Antonio Gramsci zurück, der in seinen Werken analysiert hat, unter welchen Bedingungen radikale politische Veränderungen wie Revolutionen stattfinden und erfolgreich sein könnten. Gramsci sieht dabei die Erringung von kultureller und politischer Hegemonie (Vorherrschaft) als Bedingung an. Bevor also zum Beispiel ein Putsch erfolgreich sein könne, müsse die Zivilgesellschaft überzeugt und der sogenannte vorpolitische Raum erobert werden. Das funktioniere in einem „Stellungskrieg“ gegen die herrschende Politik durch Medien, Intellektuelle, Vereine, Parteien und so weiter.
Obwohl Gramsci für die Rechte ein politischer Feind war, bedienen sich Benoist und zahlreiche weitere Neu-Rechte seiner Hegemonietheorie und versuchen diese „auf rechts“ zu drehen. Beim neu-rechten Institut für Staatspolitik oder der Identitären Bewegung heißt das dann „Metapolitik“. Dahinter steht die Idee, dass man die von Gramsci beschriebenen Werkzeuge nutzt und eine Diskursverschiebung in der Gesellschaft nach rechts vorantreibt. Jahrzehntelang waren diese Werkzeuge für die Neue Rechte vor allem Bücher, Zeitungen und kleinere Veranstaltungen, aber inzwischen ist mit Videoplattformen und Social Media ein viel größeres und effektiver bespielbares Feld hinzugekommen.
Für die politische und kulturelle Vorherrschaft gilt also generell, dass zunächst ein „Kampf um die Köpfe“ und dann ein „Kampf um die Straße und Parlamente“ stattfinden müsse. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Intellektuellen, die Strategien und Ideen vorgeben und von „oben“ auf die Zivilgesellschaft einwirken sollen. Darüber hinaus versuchen Neu-Rechte auch ganz praktisch auf bereits bestehende Strukturen Einfluss zu nehmen und so die „rechte Kulturrevolution“ voranzutreiben, beispielsweise indem sie sich in Vereinen engagieren und Diskurse nach rechts verschieben oder durch die strategische Ansiedlung rechter Familien im ländlichen Raum.
Auch wenn das ursprüngliche Konzept nicht auf Parteien und den parlamentarischen Weg setzt, ist die personelle und ideologische Nähe der Neuen Rechten zu AfD und FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) in den letzten Jahren deutlich sichtbar. Damit können diese eindeutig als Akteur*innen im Kampf um die kulturelle und politische Hegemonie der (neuen) Rechten gesehen werden.