
Die Auseinandersetzung um die Rodung des Hambacher Waldes stößt auch bei Rechtsextremen auf großes Interesse bis hin zu Solidaritätsbekundungen für die Aktivist*innen.
Zunächst die gute Nachricht: Hambi bleibt!
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 5. Oktober 2018 über einen mittelfristigen Rodungsstopp des Hambacher Waldes protestierten am Folgetag 50 000 Menschen friedlich, laut und bunt für einen schnellen Kohleausstieg und den langfristigen Erhalt des Waldes. Dem Aufruf zur von den NaturFreunden angemeldeten Demo folgten Verbände, Parteien und Initiativen aus verschiedenen politischen Lagern. Und auch Teile der rechtsextremen Szene sympathisieren mit den Forderungen der Umweltschützer*innen.
Die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ hat am 24. September einen Artikel mit der Überschrift „Kampf um den Hambacher Forst“ auf ihrer Webseite veröffentlicht. Dieser liest sich als größtenteils mit demokratischen Verbänden deckungsgleiche Analyse der Auseinandersetzung um den Wald, wären dort nicht vereinzelt solche Sätze eingestreut wie:
„Es versteht sich für jeden Heimat liebenden Menschen von selbst, diesen (sic!) ehrwürdigen Ort mit Demut, Dankbarkeit und Hochachtung zu begegnen.“
Hier spiegelt sich die bekannte Parole „Umweltschutz ist Heimatschutz“ wider. Die schützenswerte Heimat beinhaltet einen Schutz der Natur, der Umwelt und der Kultur. Entscheidend ist hierbei, dass ein rassistisch definiertes „Volk“ Teil dieser Natur und Umwelt ist und alles miteinander zusammenhängt. In dieser Vorstellung ist also der Schutz eines Stück Waldes gleichbedeutend mit einer Schließung der Grenzen und Ausweisung jeglicher Migrant*innen. Beides sind Maßnahmen zum Erhalt der „geliebten Heimat“.
Nun könnte man meinen, dass der III. Weg den „linken“ Aktivist*innen ablehnend gegenübersteht, aber stattdessen findet sich eine Solidaritätsbekundung und damit eine indirekte Einladung zur gemeinsamen Arbeit, einer sogenannten Querfront:
„Wir vom „III. Weg“ stehen ebenfalls auf der Seite der Umweltaktivisten und sagen ganz klar „Nein“ zur Rodung eines solch denkwürdigen Abbilds der Natur mit ihrer Vollkommenheit. Umweltschutz ist Heimatschutz. Wir stehen für den Schutz unserer Heimat!“
Eine solche Zusammenarbeit steht für demokratische Kräfte außer Frage. Sie würde lediglich zu einer Legitimierung menschenverachtender Ideologien führen. Denn trotz einer partikular gleichen Zielsetzung sind die gesellschaftlichen Vorstellungen der rechtsextremen Gruppen und der demokratischen Umweltschützer*innen meilenwert voneinander entfernt.
In einer vorgeblich ergebnisoffenen Manier griff wenige Tage später auch der „Volkslehrer“ die Auseinandersetzung um den Hambacher Wald auf. Der wegen seiner verschwörungstheoretischen und antisemitischen Videos in Teilen der extrem Rechten beliebte YouTuber hat für sein Video sowohl mit Aktivist*innen als auch Anwohner*innen gesprochen. Dabei betont er die Bedeutung des Waldes für den Erhalt der „deutschen Heimat“ und äußert Sympathien für den „linken“ Protest. Im Gegensatz zu seiner sonst starken Ablehnung demokratischer Kräfte spielt auch hier die Querfront-Idee eine Rolle. Auch wenn die größere Dimension des Kohleausstiegs für den Volkslehrer keine Bedeutung hat und er den menschengemachten Klimawandel verschwörungstheoretisch leugnet, zeigt sich auch hier die Bereitschaft für das partikular gemeinsame Ziel, den Erhalt eines Waldes, politische Differenzen auszublenden.
Auch im Spektrum der sogenannten „Neuen Rechten“ beschäftigt man sich mit dem Hambacher Wald. Die „Blaue Narzisse“ titelte am 25. September: „Rettet den Umweltschutz vor den Linken“. Der Artikel ist durchzogen von Beleidigungen der Aktivist*innen, die rhetorisch nah an der NS-Sprache liegen. Der Autor plädiert zwar ebenfalls für einen Erhalt des Waldes, spricht aber voller Verachtung von dem „linken“ Protest. Es spiegelt sich ein Bedauern wider, dass die Rechte es nicht vermag, Natur- und Umweltschutz von rechts zu besetzen. Denn ein rechter Protest mit einem ernstgemeinten Schutz von Natur und Heimat sei wesentlich effektiver: „Schließlich geht es um unsere Heimat.“
Emanzipatorische Kräfte würden sich lieber mit „Gender-Blödsinn“ und „der Bejubelung von Multikulti“ beschäftigen, was Rückschlüsse auf das Naturverständnis des Autors ziehen lässt. Dieses scheint Gleichberechtigung und Menschenrechte als „unnatürlich“ abzulehnen – ein Gedanke, der sich im Sozialdarwinismus wiederfindet.
Diese Beispiele zeigen, dass Natur- und Umweltschutz für die extreme Rechte eine wichtige Rolle spielt und es sich lohnt, in der Anti-Kohle-Bewegung ein Bewusstsein für die „falschen Freunde“ zu schaffen. Eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppierungen und/oder Einzelpersonen würde dem Protest schaden. Ebenso sollte vermieden werden, dass der Natur- und Umweltschutz von rechts besetzt wird. Hier könnten positive Zielsetzungen bei gleichzeitiger Abgrenzung nach rechts helfen. Außerdem ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff nötig, welcher derzeit von verschiedenen demokratischen Kräften verwendet wird und ein großes Anknüpfungspotenzial nach rechts bietet.
Yannick Passeick