Ein Blick auf den Klimadiskurs rechtspopulistischer Parteien wie der AfD
Die Klimakrise, ihre Ursachen und Folgen bekommen zunehmend mediale Aufmerksamkeit. Für politische Parteien ist es kaum noch möglich, sich zu diesen Themen nicht zu positionieren. Trotzdem gelingt es Parteien wie der Republikanischen Partei in den USA, der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Alternative für Deutschland (AfD), die schon bisher geschwiegen oder den Klimawandel sogar geleugnet haben, das Thema immer noch auszublenden. Eine aktuelle Studie zu Rechtspopulismus und Klimapolitik in der Europäischen Union (EU) teilt die rechten Parteien Europas in drei Kategorien. „Leugner und Skeptiker“ sind Parteien wie die AfD, die FPÖ oder die britische UK Independence Party (Ukip), die anzweifeln oder bestreiten, dass menschliches Handeln das Klima beeinflusst. Zu den „Vorsichtigen“ gehören die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Nationale Sammlungsbewegung von Marine Le Pen in Frankreich und neun weitere Parteien, die entweder keine klare Positionierung in der Klimafrage haben oder dieser deutlich weniger Bedeutung beimessen als anderen Themen. Die ungarische Fidesz-Partei, „Die Finnen“ und die lettische Nationale Vereinigung (NA) bilden die Ausnahme und erkennen die Gefahr, „die der Klimawandel für die Welt und für ihre eigenen Länder darstellt“. Insgesamt stehen populistische Parteien Umweltfragen „relativ positiv“, Multilateralismus und internationaler Zusammenarbeit jedoch feindlich gegenüber.
Das Partei-Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016 beinhaltet viele irreführende und falsche Aussagen zum Stand der Klima- und Klimawandelfolgenforschung (Klimafakten.de 2016). So behauptet die AfD, der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) „versucht nachzuweisen, dass die von Menschen verursachten CO2-Emissionen zu einer globalen Erwärmung mit schwerwiegenden Folgen für die Menschheit führen. Hierzu beruft man sich auf Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden“ (AfD-Grundsatzprogramm 2016, S. 156).
Das Grundsatzprogramm der AfD beklagt darüber hinaus, dass die „hierzu geplante zwangsweise Senkung der CO2-Emissionen um mehr als 85 Prozent […] den Wirtschaftsstandort schwächen und den Lebensstandard senken“ würde (ebd., S. 157). Ein AfD-Abgeordneter bezeichnete im Bundestag den Klimawandel als eine „nur in der Fantasie grüner Ideologen existierende Scheinkrise. […] Die AfD sagt hier und heute der Irrlehre vom menschengemachten Klimawandel den Kampf an. […] Wir wollen den Stopp der Finanzierung von Pseudowissenschaft. Die AfD sagt damit auch der Energiewende den Kampf an und fordert die sofortige Aufhebung des EEG, der Energieeinsparverordnung und anderer Knebelungs- und sozialistischer Umverteilungsgesetze, die den Verbraucher schon mehrere Hundert Milliarden Euro gekostet haben.“ (siehe http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19024.pdf, S. 2200f.).“ In diesem Zitat wird deutlich, dass es um den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Erhalt des hiesigen Lebensstils in einem der wohlhabendsten Ländern weltweit geht.
Realität im globalen Süden
Die Aussagen zu den nicht bestätigten Beobachtungen stehen jedoch nicht nur im Widerspruch zu den Vorhersagen des IPCC, sondern auch zu den Klimawandelfolgen, die viele Menschen in Ländern des globalen Südens bereits seit Jahren erleben. Dürren, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse führen in weiten Teilen der Welt zu Krisen von gigantischem Ausmaß. Allein im Jahr 2019 sind Schätzungen zufolge insgesamt mehr als 43 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald durch Feuer zerstört worden – mehr als doppelt so viel wie im vorigen Jahr. Durch den Zyklon Idai verloren in Mosambik im März 2019 mehr als 1000 Menschen ihr Leben. Die Kosten, die durch solche Folgen des Klimawandels entstehen, drohen viele Länder des globalen Südens in eine Schuldenspirale zu stürzen. Der Zyklon Idai kostete Mosambik beispielsweise mehr als 118 Millionen US-Dollar in Sachschäden.
Ein offener Brief, adressiert an Extinction Rebellion – und im weiteren Sinne an die europäische Klimagerechtigkeitsbewegung –, beschreibt diese Diskrepanz in der Lebenswelt. Das BIPoC (Black, Indigenous, People of Colour) Graswurzelkollektiv „Wretched of the Earth“ sagt, die verheerenden Folgen des Klimawandels lägen für Menschen im globalen Süden nicht in der Zukunft. Sie seien bereits seit Langem Realität und führten zu Hunger, ökologischen Krisen, Dürren, Überschwemmungen und Vertreibung. Die Klimakrise lässt sich für den Großteil der Weltbevölkerung nicht mehr leugnen. Dass sie dennoch von so einigen Parteien im globalen Norden geleugnet wird, zeigt, wie sehr diese Parteien die Stimmen des globalen Südens ignorieren.
Die imperiale Lebensweise und ihre Folgen
Die Klimakrise ist kein Resultat zufälliger Fehltritte in der Vergangenheit, sie ist die Konsequenz der sogenannten imperialen Lebensweise. Dieser Begriff beschreibt einen Lebensstandard, der sich nur durch die Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Süden herstellen lässt. Der Reichtum der Gesellschaften des globalen Nordens wäre ohne diese gewaltvolle Aneignung nicht denkbar. Zu sozialen und ökologischen Krisen führt diese überwiegend in den Ländern des globalen Südens. Damit ist die Klimakrise kein Novum – sondern nur eine weitere Folge der zerstörerischen Wirkung dieser Lebensweise. Die Beispiele im globalen Süden hierfür sind scheinbar endlos: erdölverseuchte Böden, überfischte Meere, verklappter radioaktiver Sondermüll vor den Küsten Ostafrikas ...
Was tatsächlich neu ist, ist die katastrophale Tragweite der Klimawandelfolgen, die nun auch im globalen Norden zu spüren sind und daher vermehrt in die Medien und auf die politische Agenda kommen. Wenn diejenigen, die am meisten von den Klimawandelfolgen betroffen sind, gleichzeitig jene sind, die am wenigsten von dem Ressourcenverbrauch und den damit verbundenen Emissionen profitiert haben, ist dies ein eindeutiges Beispiel für heutige koloniale Kontinuitäten. Während im globalen Süden die Existenz vieler Menschen auf dem Spiel steht, werden im globalen Norden Konsumstandards erhalten und verteidigt. Ebenso folgt die Auf- und Abwertung von Bevölkerungen zur Aufrechterhaltung der imperialen Lebensweise einer Geschichte von Ausbeutung zugunsten weniger. Rassismus und Raubbau lassen sich nicht getrennt denken. Felix Riedel stellte dies gut in seinem Artikel „Rassismus und Klimawandel“ in der Broschüre „Aspekte Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Natur- und Umweltschutz. Eine Debatte“ dar (siehe www.nf-farn.de/aspekte-gruppenbezogener-menschenfeindlichkeit).
Schutz der imperialen Lebensweise
Die These, dass der Wahlerfolg der AfD auf die Besorgnis von Menschen zurückzuführen sei, die sich in einer Krisensituation befinden, lässt sich nicht halten. Trotz des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums seit der Finanzkrise 2008/9 konnte die AfD bei den letzten Wahlen in Brandenburg und Sachsen einen Zuwachs um 11,3 Prozentpunkte beziehungsweise 17,8 Prozentpunkte verzeichnen. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass der Erfolg der AfD nicht auf eine wirtschaftliche Krisensituation zurückzuführen ist, sondern vielmehr eine Partei gewählt wird, die aggressive Interessenpolitik zu Gunsten von nationalistischem Besitzstandschutz proklamiert. Die Abschottung nach außen und die Wahrung von nationalem Wohlstand und dem Wirtschaftsstandort Deutschland stehen hier im Mittelpunkt. Der Aufstieg der AfD ist nicht zuletzt ein Symptom dieses Anspruchs auf die imperiale Lebensweise durch (rassistische) Aneignung (Eversberg 2017: S. 6).
Aneignung grüner Themen durch die AfD
Rechtspopulist*innen und rechte Parteien in Europa sind tendenziell klimawandelskeptisch und stimmen zumeist gegen klima- und energiepolitische Maßnahmen. Neben offenen Klimawandelleugner*innen gibt es zunehmend auch Verfechter*innen von „grünem Patriotismus“, die zwar Umweltschutz, nicht jedoch Klimaschutz, unterstützen. Noch 2017 kritisierte die AfD in ihrem Mitgliedermagazin AfD Kompakt die deutsche Klimapolitik als Ideologieprojekt, das sozial ungerecht, teuer, hochgradig wirtschaftsfeindlich, gefährlich und wirkungslos sei (siehe den Artikel „Die deutsche Klimapolitik ist sozial ungerecht, wirtschaftsfeindlich und gefährlich“ vom 6.11.2017). Für den Ausgang der Europawahl 2019 war das Thema Klimaschutz zentral. Vielleicht inspirierte diese Feststellung die AfD dazu, ökologische Themen aufzunehmen, denn seit kurzem versucht sich die Partei anhand von Umwelt-, Natur- und Tierschutzthemen zu profilieren. Hier zeigt sich die konservative bis nationalistische Seite des Naturschutzes, die eine lange Geschichte in Deutschland hat. Nach dem Motto „Umweltschutz ist Heimatschutz“ will die Partei neuerdings zur Bündnispartnerin von Bürger*inneninitiativen werden, die sich Landschaftsschutz, Tierwohl und Biodiversität auf die Fahne schreiben. Statt den Klimawandel also aktiv zu leugnen, will die AfD nun die (negativen) Folgen der Klima- und Energiepolitik ins Zentrum ihrer Politik stellen und beispielsweise um Vogelschützer*innen werben, die sich gegen Windkraftanlagen engagieren (siehe www.tagesspiegel.de/politik/die-umweltstrategie-der-afd-warum- die-rechtspopulisten-jetzt-oeko-sein-wollen/24510410.html).
Die Thematisierung von Natur- und Umweltschutz geschieht ausschließlich in Bezug auf den Erhalt von Landschafts- und Lebensqualität in Deutschland. Darin zeigt sich: Es geht nicht im eigentlichen Sinne um Biodiversität, das heißt um den Erhalt aller Tier- und Pflanzenarten, sondern um den Schutz der als „deutsch“ konstruierten Tiere und Pflanzen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich rechtspopulistische Parteien wie die AfD ökologische Themen teilweise wieder aneignen. Während sie gleichzeitig die Klimakrise weiter leugnen, wird deutlich, dass sie im Grunde die imperiale Lebensweise verteidigen, sichern und erhalten wollen. Rassismus war und ist die Grundbedingung von Landnahme und Raubbau, der diese Lebensweise erst ermöglichte. Die Klimakrise ist ein Symptom dieser Ausbeutung, sie steht langsam auch vor deutschen Haustüren und lässt neuerdings deutsche Wälder austrocknen und Landwirt*innen in Brandenburg auf ihren verdörrten Äckern stehen. Abgeordnete des Bundestages drückten erst im August 2019 ihre Sorgen über die gefährlichen gesundheitlichen Folgen von Hitzeperioden für die Bevölkerung in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung aus. Fragen zur Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden laut. Der klimapolitische Hype im Jahr 2019 wird durch die Proteste von Fridays for Future verstärkt und lauter, und dennoch bekommen nach wie vor vor allem Menschen im globalen Süden die Klimakrise zu spüren.
Literatur
Adelphi (2019): Rechtspopulismus und Klimapolitik in Europa. Abgerufen am 2.9.2019. Verfügbar unter www.adelphi.de/de/im-fokus/rechtspopulismus-und-klimapolitik-europa.
Eversberg, Dennis (2017): Innerimperiale Kämpfe: Der autoritäre Nationalismus der AfD und die imperiale Lebensweise. Working Paper 7/2017 der DFG-Kollegforscher_innengruppe Postwachstumsgesellschaften. Verfügbar unter www.kolleg-postwachstum.de/sozwgmedia/dokumente/WorkingPaper/WP+7_17+Eversberg_end.pdf.
Focus Online (2019): Brasilianische Professorin: „Waldbrände wurden von hiesiger Regierung stimuliert“. Abgerufen am 2.9.2019. Verfügbar unter www.focus.de/wissen/klima/focus-online-im-amazonas-goldgraeber-blockierensojastrasse-und-protestieren-gegen-umweltpolizei_id_11129420.html.
Klimafakten.de (2016): Was sagt die AfD zum Klimawandel? Was sagen andere Parteien? Und was ist der Stand der Wissenschaft? Abgerufen 3.9.2019. Verfügbar unter www.klimafakten.de/meldung/was-sagt-die-afd-zum-klimawandel-was-sagen-andere-parteien-und-was-ist-der-stand-der.
Wretched of The Earth (2019): An open letter to Extinction Rebellion. Abgerufen am 2.9.2019. Verfügbar unter www.redpepper.org.uk/an-open-letter-to-extinction-rebellion.
Imeh Ituen & Janine Korduan
Die Autor*innen arbeiten im Referat Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Imeh Ituen hat Integriertes Natürliches Ressourcenmanagement (M. Sc.) an der Humboldt-Universität Berlin studiert und forscht zum Thema Rassismus und koloniale Kontinuitäten in der Klimakrise. Janine Korduan studiert Technischen Umweltschutz an der TU Berlin und beschäftigt sich mit Kreislaufwirtschaft, Geoengineering, Klimakrise und kolonialen Kontinuitäten.
Der Artikel ist Teil der Broschüre Prima Klima? Natur- und Umweltschutz in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung