„Die NPD spricht sich deshalb für ein Verbot sämtlicher gentechnischer Nahrungs- und Futtermittel aus. Die damit einhergehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sind nicht kalkulierbar. Unsere Bauern dürfen nicht zu wehrlosen Opfern von Banken, EU-Bürokraten und internationalen Saatgut- und Düngerlieferanten werden, die Abnehmerpreise und verwendetes Saatgut diktieren.“
Wer hat das gesagt?
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) auf ihrer Webseite (abgerufen am 13.11.2018). Die NPD ist eine rechtsextreme Kleinpartei. Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 vertritt sie völkisch-nationalistische Ideologien und gilt als Sammelbecken rechtsextremer Akteur*innen .
Was steckt dahinter?
Die NPD verschreibt sich einem ganzheitlichen Verständnis natürlicher Wirkungszusammenhänge, um die „Heimat“ mitsamt ihren Lebewesen zu schützen. Dieses ganzheitliche Verständnis geht von einer organisch gewachsenen homogenen Volksgemeinschaft aus, die nur im Zusammenhang mit den Tieren und Pflanzen der Umgebung entstehen konnte. Das heißt also, dass die Veränderung eines Teils sich auch auf das Ganze auswirkt.
Eine solche Veränderung wäre dementsprechend der gentechnische Eingriff in die Produktion von Nahrungs- oder Futtermitteln. Die Einschätzung über die nicht kalkulierbaren gesundheitlichen und ökologischen Risiken teilen viele Wissenschaftler* innen und demokratische Natur- und Umweltschutzverbände. Doch bei der NPD kommt noch etwas Anderes hinzu: die Angst vor der Schädigung des „Volkskörpers“. Diese Angst findet sich im rechtsextremen Spektrum immer wieder. Sie geht auf die nationalsozialistische Ideologie von der Schaffung eines neuen Menschen zurück. Mit Euthanasie-Programmen, also dem Mord oder der Sterilisierung von Menschen, die als „unwertes“ Leben bezeichnet wurden, wollten die Nazis das deutsche Volk zu einer „Herrenrasse“ weiterentwickeln. Solche NS-Ideologie-Versatzstücke mit deutlichem Bezug auf sozialdarwinistisches Denken stecken also hinter der Ablehnung von Gentechnik.
Doch das ist nicht alles. In dem angeführten Zitat findet sich auch eine klare Täter-/Opfer-Perspektive. Die „wehrlosen Bauern“ werden zu Opfern der „Banken, EU-Bürokraten und internationalen Saatgut- und Düngerlieferanten“. Es wird auf der einen Seite die EU als supranationale Organisation angegriffen, die dem „deutschen Volk“ und damit dem „deutschen Bauern“ sagt, was sie zu tun haben. Dieser Verlust von Souveränität wird von Rechtsextremen heftig kritisiert und damit auch meist die Europäische Union an sich abgelehnt.
Auf der anderen Seite werden internationale Konzerne und Banken angegriffen, welche die Preise diktieren würden. Diese Kritik ist gerade im Saatgut-Sektor nicht ganz falsch, dennoch steckt dahinter purer Antisemitismus. Börsennotierte Unter nehmen und vor allem Banken werden gemäß antisemitischer Verschwörungsideologien zumeist von jüdischen Menschen geleitet. Insbesondere der Verweis auf die „Internationalität“ deutet auf antisemitisches Denken hin. Denn in diesem Denken wird internationale Kooperation meistens von einer „jüdischen Weltelite“ vorangetrieben, die dafür sorgt, das „deutsche Volk“, aber auch andere europäische Völker, nicht zu großer Macht kommen zu lassen. Und auch dieses Motiv leitet sich direkt aus der NS-Ideologie ab. Damals wurde vor einer „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ gewarnt und zwischen „schaffendem und raffendem Kapital“ unterschieden. Das „schaffende Kapital“ war im Nationalsozialismus unter anderem der bäuerliche Kleinbetrieb, der seine eigene „Scholle“ beackert. Das „raffende Kapital“ hingegen fand sich auf den Finanzmärkten wieder und vermehrte sich durch unehrliche Methoden wie das Eintreiben von Zinsen und Spekulationen.
Die NPD sieht die deutschen Landwirt*innen als Opfer und rechtfertigt mit dieser Opferrolle einen Widerstand gegen die vermeintlichen Täter.
Was lässt sich dem entgegnen?
Zunächst lässt sich gegen eine kritische Hinterfragung von Gentechnik und deren möglichen gesundheitlichen und ökologischen Risiken nichts einwenden. Daher muss das Motiv dahinter deutlich gemacht werden. Es geht der NPD nicht um die Gesundheit aller Menschen, sondern um die Gesundheit und das Fortbestehen eines rassistisch überhöhten „deutschen Volkes“.
Weiter muss die Ablehnung des Einflusses internationaler Banken und Konzerne – bei aller berechtigten Kritik – in diesem rechten Kontext auch beim Namen genannt werden: Es handelt sich um Antisemitismus, der sich auf Verschwörungstheorien bezieht. Die Einteilung der Welt in Täter und Opfer ist schlichtweg nicht so einfach, wie es dargestellt wird.
Der demokratische Natur- und Umweltschutz nimmt eine solidarische Position ein. Er richtet seinen Blick auf die Bäuer* innen im Globalen Süden und thematisiert die neokolonialen Abhängigkeitsverhältnisse, die auch von deutschen Firmen (zum Beispiel Bayer) forciert werden. Er benennt den Zusammenhang von der Verwendung transgenen Saatguts mit dem Einsatz von Agrargiften. Zudem thematisiert er sozioökonomische Aspekte und Teilhaberechte, wie zum Beispiel Veränderungen von Betriebsgrößen und Eigentumsverhältnissen, die sich durch den Anbau von transgenem Saatgut in Ländern des Globalen Südens ergeben.
„Sehr verehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre. Wenn Sie meinen, Brasilien sei das Land des Gewinnes egal um welchen Preis und auf wessen Kosten, und wenn Sie meinen, dass Sie in unser Land all Ihren Müll, der hier zu nichts mehr taugt, abladen können, dann seien Sie gewiss, dass wir Widerstand leisten werden.“
Rede von Alan Tygel von der brasilianischen Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida auf der Jahreshauptversammlung der Bayer AG am 25. Mai 2018 in Bonn
Der Artikel ist Teil des Leitfadens "Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen".