Naturschutz und Rechtsextremismus stellen für viele Menschen Gegensätze dar. Sie verbinden Natur- und Umweltschutz mit einem alternativen Lebensstil, mit demokratischen Werten und dem Einsatz für Menschenrechte. Dabei ist das Interesse rechtsextremer Akteur*innen an Themen des Umwelt- und Naturschutzes nicht neu. Die Traditionslinien reichen bis weit in die Romantik zurück. Auch in der aktuellen Geschichte der Bundesrepublik bietet der Natur- und Umweltschutz als Politikfeld immer wieder Anknüpfungspunkte für rechtskonservative bis rechtsextreme Akteur*innen. Neu ist jedoch, wie die gemäßigte und extreme Rechte in jüngerer Zeit Ideologie und Praxis verbinden: „Braune Grüne“ nehmen sich verstärkt lokaler Konflikte an, marschieren auf Demonstrationen gegen geplante Kohlekraftwerke oder Tiermastfabriken, verteilen Flugblätter gegen Gentechnik oder beteiligen sich an Castor-Blockaden. So heißt es etwa auf der Homepage der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“:
„Heimatverbundene Politik ist seit jeher auch Umweltpolitik. Ohne eine umweltfreundliche Politik ist jedes Volk in seiner Substanz gefährdet. Dem Naturschutz müssen daher wirtschaftliche Interessen untergeordnet werden. Hemmungsloses Wirtschaftswachstum, radikale Landschaftsveränderungen, gigantische Industrieprojekte, Industrialisierung der Landwirtschaft, Verstädterung ganzer Regionen sowie die Vernichtung gewachsener Stadtstrukturen werden durch die volksfeindlichen Parteien, Verbände und Interessengruppen vorangetrieben. Die einseitige Ausrichtung an materiellen Werten führt zwangsläufig zur Vernichtung aller traditionellen Bindungen und Kulturen. Der Mensch wird von seiner Umwelt entfremdet und entwurzelt, und verliert folglich seine Identität.“ [1]
Ganz ähnlich argumentiert die NPD. Auch sie zog 2017 mit dem Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ in den Wahlkampf ein. Dabei forderte sie nicht nur eine umweltbewusste Energie- und Verkehrspolitik, sondern sprach sich für eine biologische Landwirtschaft ebenso aus wie gegen Atomkraft, Gentechnik und für die Stärkung des Tier- und Artenschutzes. Die Grundmelodie wird bestimmt durch die Verbindung von Reinheit des Volkes und der Natur.
Bewegende Themen als Anknüpfungspunkte rechtsextremer Propaganda
Insbesondere reißerische Schlagzeilen und Artikel zu sogenannten Neophyten und Neozoen [2] bieten hierbei willkommene Einfallstore für rechte Argumentationsstrukturen. So berichtete etwa Spiegel Online: „Schnecken, Kröten, Stauden: Invasive Arten von anderen
Kontinenten zerstören Ökosysteme, gefährden die Gesundheit und verursachen Schäden in Milliardenhöhe. Jetzt will die EU den Kampf gegen die Aliens im Ökosystem aufnehmen“ (Patalong 2014). Hinzu kommen nicht selten Charakterisierungen, die oftmals unbedacht ein rassistisches wie nach rechts anschlussfähiges Vokabular bedienen. So etwa, wenn von „hinterlistigen Tierchen“ wie dem Grauhörnchen die Rede ist, welches das „heimische Eichhörnchen mit Pockenviren infiziert“ (Maier 2009). Der Schritt zu neu-rechten Verschwörungstheorien wie der „Umvolkung“ oder dem „Volkstod“ ist dann nicht mehr weit.
Die Strategie dahinter ist immer die gleiche: Mit Hilfe sozial-ökologischer Themen versuchen rechtsextreme Akteur*innen, ihr biologistisches, rassistisches und antisemitisches Weltbild in breiteren Bevölkerungsschichten salonfähig zu machen. Dazu werden vermeintliche naturwissenschaftliche Fakten linear auf menschliche Gesellschaften übertragen, die ebenso wie die Natur vor „fremden“ Einflüssen zu schützen seien. Oder anders formuliert: Wenn etwa vom „artgerechten Leben“ die Rede ist, geht es aus Sicht der rechtsextremen Akteur*innen nicht allein darum, im Einklang mit der Natur diese so wenig wie möglich zu schädigen. Es geht vielmehr auch und vor allem um die „Reinhaltung des eigenen Volkes“ (vergleiche Heinrich 2014). Die menschliche Kultur ist so verstanden keine historische, intellektuelle Entwicklung, sondern ein biologisches Naturgesetz, das in der „Blut und Boden“-Ideologie seine nationalsozialistische Zuspitzung fand.
Die gemäßigte und extreme Rechte
Als soziale Bewegung vereint der moderne Rechtsextremismus dabei ganz unterschiedliche Gruppen, Organisationen und Strömungen. [3] Hierzu gehören, neben rechtsextremen Parteien wie NPD und „Der III. Weg“, autoritär-nationalradikale Fraktionen wie die AfD, reaktionäre soziale Bewegungen wie „Pegida“, völkische Siedler*innen im ländlichen Raum, Kameradschaften sowie rechtsnationale Burschenschaften zur Traditionspflege mit Bildungs- und Wirtschaftseliten. Hinzu kommen milieu-orientierte Publikationen wie die „Junge Freiheit“, das „Querfront“-Magazin „Compact“, das Umweltmagazin „Umwelt und Aktiv“ (U&A) sowie die Theoriezeitschrift „Sezession“, um prominente Varianten zu nennen, die für die ideologische Vervielfältigung und thematische Anschlussstellen sorgen (vergleiche Heitmeyer 2018). Seit Mitte 2017 ist auch die Zeitschrift „Cato, Magazin für neue Sachlichkeit“ hier einzureihen, ebenso „Think Tanks“ wie die „Konservative Bibliothek“ und das „Institut für Staatspolitik“, auch wenn sich diese anderer Formen des Protests bedienen, um ihre Forderungen zu artikulieren (vergleiche Schedler 2016).
Braune Ökologie als Spielart Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Alle genannten Varianten zehren dabei vom gesellschaftlichen Vorrat an Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (Heitmeyer 2002). Wie auch Vorurteile bezieht sich Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auf kein individuelles Feindschaftsverhältnis, sondern auf ein Konglomerat aus abwertenden Einstellungen gegenüber Personen allein aufgrund ihrer gewählten oder zugewiesenen Gruppenmitgliedschaft und unabhängig von ihrem individuellen Verhalten. Gordon Allport brachte diese Definition von Vorurteilen bereits 1954 auf den Punkt: „von anderen ohne ausreichenden Grund schlecht zu denken“.
Zugleich ist mit dem Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit die Annahme verbunden, dass es sich bei den verschiedenen Vorurteilsformen – wie zum Beispiel Rassismus, Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus oder der Abwertung homosexueller, behinderter, langzeitarbeitsloser oder obdachloser Menschen – um verschiedene Elemente eines bestimmten Phänomens handelt. Das heißt, dass unterschiedliche menschenfeindliche Einstellungen nicht nur ähnliche Ursachen aufweisen, sondern auf einen gemeinsamen, als Ideologie der Ungleichwertigkeit bezeichneten Kern zurückzuführen sind (vergleiche zum Beispiel Heitmeyer 2012). Empirisch zeigt sich das beispielsweise in signifikanten Zusammenhängen zwischen Antiziganismus und Muslimfeindlichkeit (das heißt, wer abwertende Einstellungen gegenüber Roma und Sinti vertritt, ist auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit feindselig gegenüber Muslim*innen eingestellt und umgekehrt), auch wenn dies zwei unterschiedliche Phänomene mit jeweils eigener Geschichte, eigenen Ausdrucksweisen und unterschiedlichen Folgen für die Betroffenen sind (vergleiche Zick et al. 2016).
Gleichwohl gehen rechtsextreme Einstellungen jedoch nicht vollständig im Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auf. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit thematisiert vielmehr eine Relation zwischen rechtsextremen Gruppen und Milieus und einer sich selbst als demokratisch und bürgerlich verstehenden gesellschaftlichen Mitte. Oder anders ausgedrückt: Es gibt keinen Rechtsextremismus ohne Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, sehr wohl aber Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ohne Rechtsextremismus. Rechtsextremismus ist demnach zwar in der Mitte der Gesellschaft verankert, gleich zeitig stehen sich rechtsextreme Dominanzansprüche – wie etwa die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur – und gesellschaftliche Egalitätskonzepte diametral gegenüber (vergleiche van de Wetering et al. 2018). Zugleich bieten die Verbreitung und der Grad an Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft jedoch einen wesentlichen Ansatz- und Bezugspunkt rechtsextremer Milieus. Diese Beobachtung ist deshalb so bedeutsam, weil der organisierte Rechtsextremismus sich dann besonders entwickelt, verankert und zu Aktionen bereit ist, wenn er Zustimmung in der Gesellschaft findet, um daraus Legitimationen für diskriminierendes oder gewaltsames Handeln abzuleiten. Für die Reinheit von Volk und Natur. Dies funktioniert umso besser, wenn es ihm gelingt, an gesamtgesellschaftliche und bewegende Themen wie dem Natur- und Umweltschutz anzuknüpfen und rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung zu normalisieren.
Einstellungsmuster zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung sind also nicht abzutrennen von den Aktivitäten der extremen Rechten.
Manuela Freiheit & Wilhelm Heitmeyer
Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer (Senior Research Professor) war von 1996 bis 2013 Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG); Manuela Freiheit ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKG.
Der Artikel ist Teil der Handreichung "Aspekte Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Natur- und Umweltschutz".
[1] Vergleiche [https:]//der-dritte-weg.info/2016/08/umweltschutz-ist-heimatschutz/, zuletzt aufgerufen am 31.10.2018.
[2] Als Neophyten werden Pflanzenarten bezeichnet, die durch den Einfluss des Menschen in eine für sie neue Region gelangt sind. Der Begriff ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet so viel wie „Neu-Pflanzen“. Die entsprechenden Tiere werden als Neozoen bezeichnet.
[3] Das „rechte Spektrum“ kann mit Geisler und Kollegen (2016) in eine „extreme“ und eine „gemäßigte Rechte“ eingeteilt werden. Erstere umfasst sowohl rechtsradikale (demokratiekritische, xenophobe und nationalistische) als auch rechtsextreme (kämpferisch antidemokratische, völkisch-nationalistische, offen rassistische) Ausrichtungen, während letztere eher wertkonservativ ausgerichtet ist und dem Bereich der selbsternannten „Patrioten“ und „Zuwanderungsskeptiker“ zugeordnet wird.
Literatur
Allport, Gordon W. (1954): The nature of prejudice. Cambridge: Addison-Wesley.
Geisler, Alexander/Braun, Stephan/Gerster, Martin (2016): Strategien der extremen Rechten – Einleitende Betrachtungen. In: dies. (Hgg.): Strategien der extremen Rechten. (2., aktualisierte und erweiterte Aufl. 2016). Wiesbaden: Springer VS, S. 11–35.
Heinrich, Gudrun (2014): Außen grün, innen braun. Demokratiefeindlicher Naturschutz. In: politische ökologie, Heft 138, 2014, S. 54–59.
Heitmeyer, Wilhelm (2018): Autoritäre Versuchungen. Signaturen der Bedrohung I. Berlin: Suhrkamp.
Heitmeyer, Wilhelm (2012): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in einem entsicherten Jahrzehnt. In: ders. (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10. Berlin: Suhrkamp, S. 15–41.Heitmeyer, Wilhelm (2002): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und erste empirische Ergebnisse. In: ders. (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 1. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 15–34.
Maier, Josephina (2009): Vorsicht, Fremde! Exotische Tiere und Pflanzen werden in Europa heimisch. Manche sind gefährlich. Die Zeit, Nr. 25/2009, 9. Juli 2009, http://www.zeit.de/2009/25/N-invasive-Arten, zuletzt geprüft am 01.11.2018.
Patalong, Frank (2014): Invasive Arten: EU sagt Öko-Aliens den Kampf an. Spiegel Online, 17.03.2014, http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/invasive-arten-eu-geht-gegen-ei..., zuletzt geprüft am 01.11.2018.
Schedler, Jan (2016): Die extreme Rechte als soziale Bewegung: Theoretische Verortung, methodologische Anmerkungen und empirische Analyse der Mobilisierung von rechts. In: Virchow, Fabian/Häusler, Alexander/Langebach, Martin (Hgg.): Handbuch Rechtsextremismus. Bd. 1. Wiesbaden: Springer VS, S. 285–324.
van de Wetering, Denis/Mietke, Hannah/Sigl, Johanna (2018): Ausstiegs- und Distanzierungsprozesse als Forschungsgegenstand in der (Rechtsextremismus-)Forschung. In: van de Wetering, Denis/Zick, Andreas (Hgg.): Soziale Formen von Gruppendruck und Einflussnahme auf Ausstiegswillige der „rechten Szene“. Eine qualitative Studie zur Bestimmung ausstiegshemmender Faktoren. Polizei + Forschung. Bd. 52. Hg. vom Bundeskriminalamt (BKA). Kriminalistisches Institut. Wiesbaden: S. 21–43.
Zick, Andreas/Krause, Daniela/Berghan, Wilhelm/Küpper, Beate (2016): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland 2002-2016. In: Zick, Andreas/Küpper, Beate/Krause, Daniela (2016): Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016. Hg. f. d. Friedrich-Ebert-Stiftung v. Ralf Melzer. Bonn: Dietz, S. 33–81.