„Die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie wird das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts. Diese verlangt nach dem Sturz des „Götzen Wachstum“ die Schaffung einer Vielheit subglobaler, mit gewachsenen Kulturräumen zur Deckung gebrachten Wirtschaftsräume.“
Wer hat das gesagt?
Landolf Ladig in der Ausgabe 1/2012 der Zeitschrift Volk in Bewegung & Der Reichsbote. Der Beitrag erschien unter dem Titel „Die Krise des Liberalismus“. Die rechtsextreme Zeitschrift wird vom Nordland Verlag von Thorsten Heise, dem stellvertretenden Vorsitzenden der NPD, herausgegeben. Landolf Ladig ist ein Pseudonym, hinter dem sich nach Analysen des Soziologen Andreas Kemper der Vorsitzende der AfD in Thüringen, Björn Höcke, verbirgt. Selbst ein Gutachten des AfD-Bundesvorstandes im Zuge des Parteiausschlussverfahrens gegen Höcke kam zu diesem Schluss (https://www.belltower.news/afd-gutachtenbjoern-hoecke-schrieb-als-landolf-ladig-fuer-die-npd-43524/).
Was steckt dahinter?
Seit dem Bericht an den Club of Rome über „Die Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 und in verschärfter Form seit der Weltfinanzkrise 2008 finden sich in verschiedenen politischen Lagern Modelle und Konzepte für eine Postwachstumsökonomie. Die sichtbar werdende Umweltzerstörung, der hohe Ressourcenverbrauch und die sozialen Folgen sorgen für ein Umdenken. Der kapitalistische „Wachstumsfetisch“ müsse auf die eine oder andere Weise überwunden oder gebremst werden, um den Planeten auch in der Zukunft bewohnbar für die Menschheit zu hinterlassen.
Solche Ideen finden auch in der „Neuen Rechten“ und im völkischen Lager Anhänger*innen. Beide Gruppierungen, die nicht ganz trennscharf voneinander abzugrenzen sind, lehnen einen auf Zinsgeld basierenden Finanzkapitalismus ebenso ab wie die Zerstörung der Umwelt und ganz besonders der „heimischen“ Natur. Ladig sieht in der „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“ nicht nur die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts, sondern tritt auch dafür ein, dass diese von der „identitären Systemopposition“ vorangetrieben und vereinnahmt werden muss. Der Begriff der „identitären Systemopposition“ kann auch als völkischer Nationalismus übersetzt werden. Völkische Nationalisten und Neu-Rechte verstehen die Ökologie und den Naturschutz seit jeher als „ihre“ Themen, welche von der Umweltbewegung der 70er-Jahre und schließlich der Partei „Die Grünen“ entwendet und fälschlich von links besetzt wurde.
So wittert Ladig mit der Postwachstumsthematik die Chance, diese „identitär“ zu besetzen, da sich die Grünen inzwischen mit dem kapitalistischen System abgefunden hätten und nicht in der Lage seien, den „Götzen Wachstum“ zu stürzen. Ähnlich wie Ladig sieht auch der Vordenker der französischen „Neuen Rechten“ Alain de Benoist ein ungemeines Anschlusspotenzial für Postwachstumsbewegungen nach rechts. Die Rückbesinnung auf kleinteilige Wirtschaftsräume mit einer größeren Wertschätzung für regionale Lebensmittel und andere Produkte kann zu einer größeren Identifikation mit der Region führen. Und aus dieser Identifikation können wiederum homogene Bevölkerungsgruppen gemeinschaftlich erstarken. Die Deckungsgleichheit von „gewachsenen Kulturräumen“ und „Wirtschaftsräumen“ soll also zu einer Stärkung des Grundsubjekts völkischer Ideologie führen: der Volksgemeinschaft.
Zusätzlich spielen Gedanken um eine Loslösung von Kredit- und Zinsgeldsystemen eine Rolle, um sich unabhängig von globalen Finanzmärkten zu machen. Hier beziehen sich rechtsextreme Wachstumsgegner*innen teilweise auf die Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell. Mit seinem Konzept von Bodenreformen und Freigeld schlug er Anfang des 20. Jahrhunderts ein alternatives Geldsystem vor, was nach Ansicht des Ökonomen Elmar Altvater als „sozialdarwinistisches Konzept“ angelegt ist. Die Ideen von Gesell tauchen seit 2008 auch in Überlegungen rechtsextremer Theorien wieder verstärkt auf.
Was lässt sich dem entgegnen?
In Überlegungen zu Postwachstumsökonomien sind die Überschneidungen zwischen Demokrat*innen und Rechtsextremen besonders hoch. Daher sollten die Motive genauer betrachtet und thematisiert werden. Aus rechtsextremer Perspektive geht es um die Stärkung der Identität und der Volksgemeinschaft durch eine Abkehr vom Wachstumsgedanken und der Ressourcenverschwendung. Die Rückkehr in regionale Strukturen soll letztlich auch Migrationsbewegungen verringern und ist rassistisch motiviert.
Aus demokratischer Sicht sollten dagegen Chancen für eine gerechtere globale Verteilung von Ressourcen und Wohlstand und das Ziel der Klimagerechtigkeit durch Postwachstumsansätze betont werden. Alle Menschen sollen auf diesem Planeten ein „Gutes Leben“ (Buen Vivir) führen können, nicht nur die Deutschen.
Ein demokratischer und menschenrechtsbejahender Umweltschutz erkennt an, dass nicht das Wachstum an sich und pauschal das zu beseitigende Übel ist. Natürlich braucht es gerade in vielen Ländern des Globalen Südens eher ein mehr an Wachstum. Aus einer „satten“ Perspektive heraus hier den Verzicht zu propagieren und die Vorzüge der selbstausbeuterischen Subsistenzwirtschaft anzupreisen, hat nichts mit Humanität und dem „Guten Leben“ für alle zu tun. Demokratische Umweltschützer*innen richten sich deshalb ausschließlich gegen ausbeuterisches Wachstum und setzen sich zudem kritisch mit der Moralisierung der Ökonomie, wie sie in weiten Teilen der Postwachstumsdebatte betrieben wird, auseinander. Sie erkennen an, dass diese auch das Potential für die Etablierung rückwärtsgewandter Ideologien bereithält.
„Es ist mit Blick auf den Globalen Süden eine Selbstverständlichkeit, für Wachstum einzutreten. Es braucht ein immenses Wachstum an Kläranlagen, Straßen, Schienen, Stromnetzen, öffentlichen Verkehrsinfrastrukturen, sicheren Jobs, privatem Konsum, bewohnbaren Wohnungen und so weiter.“
Winfried Rust, 2018, in der Zeitschrift Iz3W
Der Artikel ist Teil des Leitfadens "Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen".