Es ist noch nicht allzu lange her, da waren die Konfliktlinien im Kampf um die Energiewende noch übersichtlicher. Finanzstarke Unternehmen aus der Energie-, Automobil- oder der rohstoffverarbeitenden Industrie bezahlten Lobbyist*innen, Stiftungen und Thinktanks dafür, die Energiewende lautstark zu diskreditieren. Die Gewinne aus der Öl-, Gas- oder Kohleindustrie wie auch aus der Zement- und Stahlbranche waren zu üppig, um sich auf die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise einzulassen. Der Klimawandel wurde – auf der Grundlage (fraglicher) wissenschaftlicher Studien – mit Angstmacherei und Katastrophismus gleichgesetzt. Die Energiewende wurde mit finanziellen Belastungen, Arbeitsplatzverlusten oder einem drohenden Blackout, dem großflächigen Stromausfall für einen längeren Zeitraum, gebrandmarkt. Für die Energiewende positionierten sich unzählige Bürger*innen-Initiativen (BIs) und Kommunen sowie grüne Unternehmen, die sich für die dezentralisierte und demokratische Stromerzeugung und somit auch für die Windenergie einsetzten. Dieses bunte Volk der Nachhaltigkeit, das gerne auch belächelt wurde, führte lange ein Nischendasein.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 markiert den Anfang einer dynamischen Erfolgsgeschichte. Der Klimawandel wird immer dramatischer und kaum noch geleugnet. Ohne Klimaschutz auf der politischen Agenda werden heute weder Politik noch Wirtschaft ernst genommen. Aber wie in allen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist es eine Sache, sich auf die großen Ziele von Nachhaltigkeit, Energiewende und Klimaschutz zu verständigen. Eine andere Sache ist es, sich mit den damit verbundenen Veränderungen aus der Nahperspektive zu befassen und davon betroffen zu sein (Hoeft et al 2017). Allerdings befinden sich nun die Gegner*innen der Energiewende in der Nischenposition und ziehen dort die Aufmerksamkeit rechtspopulistischer Kräfte auf sich.
Zweierlei wird deutlich:
- Die sozialen Auseinandersetzungen verlagern sich dorthin, wo die zahlreichen Maßnahmen der Energiewende konkret werden. Deshalb verwundert es nicht, dass Energiewende-Projekte von immer mehr Protesten der Bürger*innen, von BIs wie von Naturschutz- und Umweltverbänden begleitet werden.
- Die Interessenlage wird komplexer und intransparenter. Mit der kategorischen Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen lässt sich heute keine Politik mehr machen – und es lassen sich auch immer weniger Gewinne damit erzielen. Darum versuchen Parteien, Unternehmen und Lobbygruppen vor allem hinter den Kulissen und unauffällig die Energiewende zu verhindern.
Haben sie damit Erfolg? Seit 2018 ist der Ausbau der Windenergie an Land stark zurückgegangen. Im Jahr 2020 sind in Deutschland nur rund 1.400 Megawatt an Windkraft hinzugekommen. Zwischen 2013 und 2018 lag das durchschnittliche Wachstum noch bei ca. 4.000 Megawatt im Jahr. Diese Entwicklung hat allerdings ganz verschiedene Gründe, wie etwa bürokratische und langwierige Genehmigungspraxen der Behörden, den Übergang vom Festpreissystem zu Ausschreibungen oder Klagen gegen neue Anlagen. Der Spiegel (2019, S. 13) fasst es so zusammen: „Was einmal groß gedacht wurde, verläppert im Kleinklein der deutschen Wirklichkeit.“ Die Wirkungsmacht der Gegner*innen der Windkraft muss folglich stets im Zusammenhang mit anderen Bremsmechanismen betrachtet und entsprechend bewertet werden.
Gegenwind von überall
Die Gründe für die Kritik an der Projektierung von Windkraftanlagen oder ihre gänzliche Ablehnung sind vielfältig und werden von einem breiten gesellschaftlichen Spektrum vorgetragen. Die Motive dafür reichen von der Sorge um die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, mögliche gesundheitliche Risiken der Windenergie durch akustische Emissionen oder die reale Gefährdung von Vögeln, Fledermäusen und anderen Wildtieren durch die Rotorblätter bis zum Problem der fehlenden politischen Teilhabe bei den Planungs- und Genehmigungsprozessen. Auch die Verteilungs(un)gerechtigkeit zwischen betroffenen Anwohner*innen und wirtschaftlichen Profiteur*innen oder die Befürchtung sinkender Grundstückspreise kann die Kritik befeuern. Dabei können sozial-ökologische Nachhaltigkeitsaspekte oder wirtschaftliche Gewinne nicht gegen Emotionen, die Ästhetik der Landschaft oder ein Heimatgefühl ausgespielt werden. Gesundheits- oder ethische Belange müssen ebenso ernst genommen werden wie das Klima- und Nachhaltigkeitsargument. Diese vielschichtigen Motivlagen lassen sich nicht als rechtspopulistischer Diskurs zusammenfassen; wenngleich auch solche Stimmen hörbar sind.
Gegenwind von Rechts?
Die Zielkonflikte zwischen Energiewende, Umwelt- und Klimaschutz sowie dem Schutz und der Erhaltung der Natur lassen sich nicht einfach auflösen (Radtke et al 2020). Verschärft werden sie aber noch, wenn ideologische Motive hinzukommen und die Energiekonflikte überlagern. Dann hat die Windkraft das Potenzial, ganze Dörfer zu spalten. Wenn sich Parallelen zu Argumentationsmustern und Handlungsstrategien rechtspopulistischer Akteur*innen zeigen (Miosga 2019), ist die mediale wie wissenschaftliche Aufmerksamkeit für solche Bürger*innenproteste außerdem besonders hoch. Das Phänomen wird dadurch überhöht, obgleich es in Relation zu allen Windkraftprotesten nur marginal ist. Wie schwierig es darüber hinaus ist, Akteur*innen mit rechten Ideologien über einen Kamm zu scheren, soll am Beispiel von Windwahn, Vernunftkraft und der Deutschen Wildtier Stiftung gezeigt werden (Themann et al 2020).
Windwahn
Windwahn ist eine Online-Plattform, die BIs unter einem Dach organisieren will und sich als Sprachrohr für diese BIs versteht. Sie zeigt auf ihrer Webseite eine Karte, auf der über 1.100 Verbände und Initiativen verzeichnet sind. Windwahn weist explizit darauf hin, dass auch Initiativen willkommen sind, „die nach dem Motto ‚Windkraft ja, aber …‘ handeln“. Die Organisation veröffentlicht auf ihrer Webseite Kommentare, Artikel und Studien zu aktuellen Entscheidungen im Klima-, Umwelt- oder Naturschutz, vorrangig aber zu den Gesundheitsschäden und anderen negativen Auswirkungen der Windenergie. Auf der Webseite finden sich auch sachliche Gründe, die gegen die Windenergie sprechen. Es überwiegen aber Schlagzeilen wie „Mythos vom billigen Ökostrom“, „Energiewende als Gefahr für ganz Deutschland“, „Dunkelflaute rückt näher“ oder „Windkraft-Größenwahn“, die die radikale Ablehnung des Ausbaus der Windkraft verdeutlichen. Auch Fake News und das Lächerlichmachen von Wissenschaftler*innen finden sich dort; ebenso Narrative über die „Beisetzung“ der Demokratie oder den Beginn der „Meinungsdiktatur“. All das in Verbindung mit den Verweisen zu anderen Akteur*innen des rechten Spektrums wie die „Achse des Guten“ macht deutlich, dass Windwahn als rechtspopulistische Plattform bezeichnet werden kann.
Vernunftkraft
Vernunftkraft bezeichnet sich als „Bundesinitiative für vernünftige Energiepolitik“ und ist ein Dachverband für verschiedene Landes- und Regionalverbände, die sich gegen das EEG, die Windenergie und andere Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren. Die Haltung zum Klimawandel scheint ambivalent; klar ist für Vernunftkraft nur, dass das EEG nicht zum Klimaschutz beiträgt. Über den Dachverband haben sich einige Bürgerinitiativen gegründet, professionalisiert und vernetzt. So gibt es bereits 14 Landesverbände und Regionalbündnisse. Vernunftkraft geht davon aus, dass „aufgeklärte und deshalb zu Recht besorgte Bürger dieses Landes […] hinsichtlich der Rationalität energiepolitischer Entscheidungen nicht hinnehmbare Defizite“ erkennen würden. Ziel ist es „Fakten statt Mythen“ zu verbreiten. Auffallend ist, dass Vernunftkraft sachlich argumentiert. Zwar finden sich Beiträge mit „krimineller Energie“ oder „Irrsinn“ im Titel, doch die Beiträge wollen offensichtlich sorgfältige Meinungsbildung und Wissenschaftlichkeit miteinander verbinden. Widerständige lokale Naturschutzbelange sollen durch eine professionalisierte Lobbyarbeit mit dem politischen (Regierungs-)System verknüpft werden, das breiter ist als nur der rechte Rand. Politisch unterstützt wird Vernunftkraft von der AfD, Teilen der CDU und Teilen der FDP wie auch aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie heraus (Greenpeace 2021; Der Spiegel 2021).
Deutsche Wildtier Stiftung
Die Deutsche Wildtier Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung, sie will „Menschen für die Schönheit und Einzigartigkeit heimischer Wildtiere faszinieren“. Sie setzt sich für den Naturschutz und die Naturbildung ein. Zwar wurde mit Fritz Vahrenholt 2010 ein Klimawandelleugner in die Stiftung berufen, wo er Alleinvorstand war. Wegen seiner klimapolitischen Aussagen trennte sich die Stiftung 2019 aber von ihm. Der Klimawandel spielt seither in der Stiftung, die weder populistische noch rechte Argumentationsmuster bedient, keine besondere Rolle mehr. Sie hat generell auch nichts gegen den Ausbau der Windenergie einzuwenden, wenn vor dem Bau von Windparks eine „sorgfältige Prüfung potenzieller Standorte und die umfassende Abwägung aller naturschutzfachlichen Belange“ erfolgt. Sie positioniert sich aber klar gegen Windenergieanlagen in Waldbeständen. Dabei stützt sich die Stiftung in ihrer Position auf Studien und Aussagen von Vogelschutzwarten. Andere Umwelt- und Naturschutzverbände sehen das anders. Im November 2019 hat sich beispielsweise der BUND in seiner Bundesdelegiertenversammlung für den Ausbau der Windenergienutzung im Wald ausgesprochen – jedoch unter Berücksichtigung strenger ökologischer Kriterien sowie dem Ausschluss von besonders schützenswerten Waldflächen. Die Deutsche Wildtier Stiftung bildet gewissermaßen den moderatesten Rand des windenergiekritischen Spektrums ab. Sie ist außerdem anschlussfähig an Natur- und Umweltschutzverbände, die ebenfalls gegen Windräder im Wald sind.
Aufwind für den Ausbau
Die Konflikte zwischen Befürworter*innen und Widersacher*innen der Windkraft werden sich in dem Maße verschärfen, wie die Energiewende wieder an Fahrt aufnimmt. Solange der Ausbau anhält, wird Windkraft auch ein Schauplatz für rechten Populismus bleiben. Das größere Problem dabei stellt der Trend zu „verdeckten“ Netzwerken von Anti-Windkraft-Lobbyist*innen dar, die – auch im (geheimen) Auftrag von Unternehmen – bundesweit klagen, BIs beraten und als Sachverständige auftreten. Dazu gehört auch das Nachahmen von Bürger*innen-, Naturschutz- oder Umweltbewegungen, die in Wirklichkeit von Unternehmen finanziert werden, das sogenannte Astroturfing. Die neuen Nischenakteur*innen führen einen „Kreuzzug“ nicht nur gegen die Windenergie, sondern gegen die Energiewende und die Klimapolitik insgesamt (Greenpeace 2021).
Natur- und Artenschutzargumente werden oft nur vorgeschoben, um auf die angebliche Einschränkung der Freiheit, die vermeintliche Gefahr einer Öko-Diktatur oder den drohenden Niedergang der Wirtschaft hinzuweisen. Beim Europäischen Institut für Klima & Energie e. V. (EIKE), das den menschengemachten Klimawandel leugnet; heißt es: „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit!“. Die „Maskierungen“ von Rechten als vermeintliche Naturschützer*innen (Hübner et al. 2019) dient auch dem Ziel, neue Sympathisant*innen für die eigenen Anliegen zu gewinnen. Es wäre aber vorschnell, rechtspopulistische Initiativen oder „die AfD als ‚natürliche Verbündete‘ oder politischen Arm der Anti-Windkraftinitiativen zu sehen“ (Eichenauer et al 2018: 634).
Windkraftgegner*innen sollten nicht pauschal als rechtspopulistisch und egoistisch oder als ignorante NIMBY-Menschen (Not In My Backyard, nicht in meinem Hinterhof) bezeichnet werden. Stattdessen ist es notwendig, ein besseres Verständnis für die Belange der Menschen vor Ort zu gewinnen und deren
Bedenken und Befürchtungen, aber auch ihre Interessen und Motivlagen besser zu verstehen und in den Ausbau der Windenergie einzubinden (Reusswig et al 2016). Bürger*innen haben oft das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, obgleich Kritik und Protest gerechtfertigt sind. Gerade die frühzeitige politische Verfahrensbeteiligung sowie Kompensationen und die finanzielle Beteiligung von Bürger*innen können dementsprechend Wege eröffnen, um die lokale Akzeptanz für die Projekte der Energiewende zu erhöhen. Solche Maßnahmen können auch verhindern, dass rechtspopulistische Initiativen in Zukunft ihre kleinen Nischen verlassen und einflussreicher werden.
Literatur
Der Spiegel (2019): Grüner Blackout, Nr. 19 / 4.5.2019, S. 12–21.
Der Spiegel (2021): Die Anti-Windkraft-Bewegung. Online verfügbar unter www.spiegel.de/wirtschaft/windenergie-so-verhindert-die-anti-windkraft-bewegung-neue-anlagen-a-46d88419-3b1d-427d-b6c0-cf696fec283c.
Eichenauer, E./Reusswig, F./Meyer-Ohlendorf, L./Lass, W. (2018): Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen und der Aufschwung rechtspopulistischer Bewegungen. In: Kühne, O./ Weber, F. (Hrsg.): Bausteine der Energiewende. Wiesbaden: Springer, S. 633–651.
Greenpeace (2021): Die Gegner der Energiewende. Online verfügbar unter www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/gegner_der_windkraft.pdf (letzter Zugriff 17.05.2021).
Hoeft, C./Messinger-Zimmer, S./Zilles, J. (Hrsg.) (2017): Bürgerproteste in Zeiten der Energiewende. Lokale Konflikte um Windkraft, Stromtrassen und Fracking. Bielefeld: transcript.
Hübner, G. et al. (2020): Akzeptanzfördernde Faktoren erneuerbarer Energien. Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) (FKZ: 3516 83 0100). Online verfügbar unter www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-551-akzeptanzfoerdernde-faktoren-erneuerbarer-energien (letzter Zugriff: 17.05.2021).
Radtke, Jörg; Canzler, Weert; Schreurs, Miranda A.; Wurster, Stefan (2020): Energiewende in Zeiten des Populismus, Wiesbaden: Springer VS.
Reusswig, F. et al. (2016): Energiekonflikte. Akzeptanzkriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Energiewende. Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen eines interdisziplinären Forschungsprojektes. Online verfügbar unter http://energiekonflikte.de/fileadmin/template/Daten/Ergebnisse/Arbeitspapiere/Reusswig_et_al._2016_vorlaeufige_Handlungsempfehlungen.pdf (letzter Zugriff: 17.05.2021).
Themann, D./Di Nucci, R./Krug, M. (2020): Gegenwind von Rechts? Windenergie im Spannungsfeld zwischen Klima-, Natur- und Heimatschutz, in: Jahrbuch Ökologie 2020/2021, Schwerpunkt: Ökologie und Heimat. Gutes Leben für alle oder die Rückkehr der braunen Naturschützer. Stuttgart: Hirzel, S. 113–126.
Achim Brunnengräber
Dr. phil. habil. Achim Brunnengräber ist Politikwissenschaftler am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin.Der Artikel ist Teil der Broschüre Die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus.