„Die in Deutschland von muslimischen Metzgern und Halal-Schlachthöfen vorgenommene islamkonforme Art des Schlachtens von Wirbeltieren, das Schächten, bei dem den Schlachttieren bei lebendigem Leibe und vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten wird, muss der Vergangenheit angehören. Die damit unter Berufung auf die Religionsfreiheit einhergehende grausame Tierquälerei (…) muss beendet werden.“
Wer hat das gesagt?
Die Bürgerbewegung Pax Europa in einer Pressemitteilung zum Welttierschutztag am 4. Oktober 2016. Pax Europa ist ein islamfeindlicher Verein, der sich unter anderem gegen den Neubau von Moscheen einsetzt. Der Verein steht dem rechtspopulistischen Blog „Politically Incorrect“ nahe.
Was steckt dahinter?
Der Tierschutz hat im Rechtsextremismus Tradition. Das liegt nicht daran, dass Rechtsextreme ein besonders großes Herz für Tiere hätten, sondern an der problemlosen Instrumentalisierung des Themas. Es ist verhältnismäßig leicht, an die Empathie der Bevölkerung zu appellieren, wenn es um Tierquälerei, industrielle Massentierhaltung oder generell das Schlachten geht. Gerade beim Schlachten wird ein Verbot des Schächtens gefordert. Schächten nennt man das rituelle Schlachten ohne vorherige Betäubung der Tiere, was in Teilen des Judentums und des Islams praktiziert wird.
Diese Art der Schlachtung wird von Tierschutzverbänden als besonders brutal eingestuft und ist in Deutschland verboten. Da es sich bei der Religionsfreiheit allerdings um ein wichtiges Grundrecht handelt, können Sondergenehmigungen zum Schächten erteilt werden. Außerdem wurde mit einer elektrischen Kurzzeitbetäubung der Tiere eine Kompromisslösung gefunden. Doch diesen Kompromiss lehnen Rechtsextreme ab, weil es ihnen vordergründig darum geht, die Religionsfreiheit von jüdischen und muslimischen Menschen zu beschränken. Dahinter steckt dann antisemitischer und antimuslimischer Rassismus.
Bereits im späten 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Tierschutzvereine, die sich gegen das Schächten und gegen Tierversuche aussprachen und dabei meist antisemitisch argumentierten. So herrschte ein Stereotyp von jüdischen Ärzten vor, die aus wissenschaftlichem Interesse Tierversuche durchführen und diese Tiere dabei bereitwillig quälen würden. In deutschnationalen und völkischen Kreisen verfestigte sich diese Vorstellung zum ohnehin stark ausgeprägten Antisemitismus. Dankbar nahmen wenig später die Nationalsozialisten die Tierschutzdebatte auf, verboten 1933 das Schächten und führten das erste Reichstierschutzgesetz ein. So konnten erste staatliche Repressionen gegen jüdische Menschen auch noch als moralisch notwendig gerechtfertigt werden.
Seit 1945 finden sich die gleichen Motive und Forderungen in Programmen rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien wieder. Der einzige Unterschied ist, dass mit dem vermehrten Zuzug von Menschen muslimischen Glaubens auch der antimuslimische Rassismus eine größere Rolle spielt.
Bei diesem Zitat geht es dezidiert um „Halal-Schlachthöfe“ und „muslimische Metzger“, weil sich Pax Europa den Islam als Feindbild ausgesucht hat. Erweitert man den Blick allerdings ins weitere Feld des rechtsextremen Spektrums, finden sich dort auch antisemitische Motive, die sich an Argumentationen aus der NS-Zeit orientieren.
Was lässt sich dem entgegnen?
Mit dem Tierschutz wird von rechtsextremer Seite geschickt ein in der Bevölkerung beliebtes Anliegen bespielt. Daher ist die Argumentation dagegen nicht immer ganz einfach, zumal viele Forderungen deckungsgleich mit denen demokratischer Verbände sind. Es sollte klar benannt werden, dass die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ein elementares und schützenswertes Grundrecht ist. Der Tierschutz ist zwar ein verfassungsmäßiges Staatsziel nach Art. 20a GG, aber im Zweifelsfall den Grundrechten unterzuordnen.
Der demokratische Weg wäre es, einen Kompromiss zu suchen, wie er zum Beispiel mit der elektrischen Kurzzeitbetäubung gefunden wurde. Rechtsextreme sind aber an einem Kompromiss nicht interessiert, da es ihnen nur um Repressionen gegenüber jüdischen und muslimischen Menschen geht. Das sollte in der Auseinandersetzung immer wieder betont und abgelehnt werden.
„Es gibt eine Reihe von Gesetzen in der Tora, im Talmud oder den nachtalmudischen Kodizes, die den Tierschutz zum Gegenstand haben. Die strengen Vorschriften des Schächtens stehen ebenfalls im Zeichen des Tierschutzes.“
Rabbiner Dr. Israel Meir Levinger, 1997
Der Artikel ist Teil des Leitfadens "Wenn Rechtsextreme von Naturschutz reden – Argumente und Mythen".